Eine Stimme, die die Zeit überdauert

Ingeborg Bachmann starb am 17. Oktober 1973 im Alter von 47 Jahren.
Schwarzach Ingeborg Bachmann, eine der prägenden österreichischen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts, hinterließ eine unvergleichliche Spur in der Literaturszene. Auch 50 Jahre nach ihrem tragischen Tod am 17. Oktober 1973 wird ihre Arbeit, die gekennzeichnet ist durch ihre poetische Sprache und die Tiefgründigkeit der menschlichen Erfahrung, noch geschätzt.
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Einmal läutet die Polizei Sturm bei Ingeborg Bachmann. Der Grund: nächtlicher Lärm in ihrer Wohnung, die Nachbarn hätten sich beschwert. Erst versteht die Dichterin nicht, was für ein Lärm gemeint sein soll. Bis es ihr schwant: Es geht um Schreibmaschinengeklapper. Sie könne nur nachts arbeiten, erklärt sie den Beamten. Was denn ihr Beruf sei, fragen die, und Bachmann erklärt. Sie schreibt Gedichte. Die Polizei reagiert mit Kopfschütteln: “So kleine Gedichte und so viel Lärm!”

Ingeborg Bachmann schrieb Gedichte. Und Erzählungen, Hörspiele, Essays und einen Roman. Ihre Texte gehören heute zur wichtigsten Literatur des 20. Jahrhunderts. Mit ihren feministischen Texten war Bachmann eine Vorreiterin. Manches, etwa ihr Roman “Malina” von 1971, wäre noch bahnbrechend, würde es heute erscheinen. Bachmann war 1954 die erste Lyrikerin auf dem Cover des “Spiegel”. Danach wurde sie zum Literaturstar, erhielt Preise, dozierte an der Universität.

Aus ihren Briefen und mehreren Biografien ist zu erahnen: Bachmann war ein Mensch voller Widersprüche. Die Autorin vertiefte sich gerne in intellektuelle Fragen, war als Kettenraucherin bekannt. Gleichzeitig mochte sie das Nachtleben, Tanzen, elegante Kleider. Mit vielen berühmten Leuten war sie befreundet.
Der Kontrast zu ihren Texten könnte nicht größer sein. Sie handeln von politischer und zwischenmenschlicher Gewalt. Lange bevor es Thema in Österreich wurde, thematisierte sie das Fortwirken des Faschismus nach dem Kriegsende. “Malina” handelt davon. Ein weibliches Ich versucht darin, zum Sprechen zu kommen – und muss dafür in einer Art Traumatherapie schreckliche, von Krieg und Patriarchat geprägte Alpträume durchleben.
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Geboren wurde Bachmann in Klagenfurt. Im Alter von 17 lebte sie mitten im Zweiten Weltkrieg ganz allein in ihrem Elternhaus. Bachmanns Mutter war mit den beiden jüngeren Geschwistern 1944 aufs Land gezogen. Bachmann blieb zurück, um ihre Matura abzulegen.

Bei einem Bombenangriff sterben ihre Nachbarn. Sie entscheidet sich, künftig nicht mehr in den Bunker zu gehen. “Der Gedanke, dort womöglich mit allen wie in einer Viehherde zugrundezugehen, ist mir schauerlich. Wenigstens im Garten. Wenigstens in der Sonne”, schreibt sie in ihrem “Kriegstagebuch”.
Nach 1945 ist die deutsche Sprache die der Täter. Wie andere Schriftsteller sucht Bachmann nach Wegen, das zu reflektieren und sich ihre Muttersprache neu anzueignen. Eines ihrer wichtigen Zitate war: “Keine neue Welt ohne neue Sprache.” Losgelöst von erzählerischen Konventionen fand sie eine ganz eigene Sprachmelodie: musikalisch, die Wörter manchmal hastend aneinanderreihend, wie auf der Suche nach der richtigen Formulierung. In ihren Gedichten schuf sie beispiellose Bilder. “Dein Hut lüftet sich leis, grüßt, schwebt im Wind, dein unbedeckter Kopf hat’s Wolken angetan, dein Herz hat anderswo zu tun, dein Mund verleibt sich neue Sprachen ein”, beginnt etwa ihr Gedicht “Erklär mir, Liebe”.

Den gewalthaften Erinnerungen setzte Bachmann in ihren Texten utopische Ideen von Liebe und Freiheit entgegen. Diese verfolgte sie auch im echten Leben. Bachmann war nicht nur mit dem Dichter Paul Celan, sondern auch dem Schriftsteller Max Frisch liiert. Beide Beziehungen, das zeigen die Briefwechsel, endeten nicht gut. Frisch, der als extrem eifersüchtig galt, konnte mit der freiheitsliebenden Art seiner Partnerin nichts anfangen. Nach der Trennung verarbeitete er Details ihrer Beziehung in seinen Werken, was Bachmann als Verrat empfand. Von der Erschütterung, die die Trennung in ihr auslöst, erzählt auch Margarethe von Trottas Film “Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste”, der am 19. Oktober in die Kinos kommt.
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Zwischendurch war die Schriftstellerin abhängig von Alkohol und Beruhigungstabletten geworden. Die Tabletten sind so stark, dass sie eines Tages mutmaßlich mit brennender Zigarette einschläft. Mit schweren Brandverletzungen kommt sie ins Krankenhaus und stirbt dort einige Tage später.