Berlin im Schnürlregen

Nachtfrauen
Maja Haderlap,
Suhrkamp Verlag,
294 Seiten
Es ist sehr schwierig, die alte Zeit darzustellen, manchmal auch die neue: Maja Haderlap und Robert Pflüger geben Auskunft davon.
Thriller Roman Pflüger legt seinen freudig erwarteten Thriller „Wie sterben geht“ vor. Am Cover geht die Glienicker Brücke quer durchs Cover, auf der im Kalten Krieg der Austausch von Spionen zwischen Ost und West stattfand. Wunderbar, die Vorfreude auf Kristallluster, Whiskey bzw. Vodka mit Eis und dicken Zigarren war gegeben.
Die Zeit also, als in Berlin zwischen Herbst und Frühling der Schnürlregen Hochsaison hatte und vor allem geschaut werden musste, dass zwischen gegenseitiger Spionage nichts anbrannte. In dem Sinne: Wir gehen zurück in das Jahr 1983, in dem Berlin noch Berlin war, Helmut Kohl Kanzler und Andropow, nach Breschnew, KPDSU-Chef wurde. In diese Zeit versetzt Andreas Pflüger seinen Spionage-Thriller „Wie sterben geht“.
Berlin im düsteren Regen
Zum Plot: Nina Winter, eine ehemalige Spitzensportlerin, ist eine Mitarbeiterin im Bundesnachrichtendienst, aber jetzt nicht in der aufregenden Agentenwelt, sondern in der Nachrichtenauswertung. Plötzlich hat sie die Chance, sich von ihrem Schreibtisch-Job loszureißen, da der hohe KGB-Offizier Rem Kukura, Deckname Pilger, ein mysteriöser Doppelagent, seine weitere Zusammenarbeit mit der BRD von einem Treffen mit ihr abhängig macht.
Sie nützt die Chance und es entwickelt sich eine kühle Spionin in einer Männerdomäne. Jahre später wird Kukura gefangengenommen und nun findet an der Glienicker Brücke ein Agentenaustausch zwischen Ost und West statt. Um den Agenten zu identifizieren, wird Nina Winter mit auf die Brücke geschickt. Der detailreich beschriebene Agentenaustausch, mit allen monologisierten Winter-Geheimnissen dazu, geht naturgegeben schief und so beginnt ein turbulentes Abenteuer zwischen Ost und West. Die Frage ist nur, der Autor in Ehren, aber ist das nun ein Roman, oder ein als Roman geschriebenes Drehbuch?
Action auf Papier zu bringen ist eine hohe Kunst, Pflüger hat grundsätzlich ein überdurchschnittliches Talent dazu, bei „Wie sterben geht“ rutscht man als Leser im feuchten Laub jedoch immer wieder aus. Zu viel Material versiegt, da helfen auch die Kursiv-Inputs wenig, die beispielsweise auf ein mögliches Verhältnis der beiden hinweisen. Robert Pflüger kann großartige Romane schreiben, seine Thriller über die blinde Polizistin Jenny Aaron sind eine Klasse für sich, „Wie sterben geht“ kann hier nicht anschließen.
In seinem Jenny-Aaron-Thriller „Endgültig“ schrieb Pflüger vorab als Zitat: „Sollte am Ende noch Zeit sein, will ich mich nicht fragen, warum ich sterben muss, sondern wissen, warum ich gelebt habe.“ Bei Jenny Aaron gehe ich den Weg mit, bei Nina Winkler fällt es mir von Seite zu Seite schwerer.
Im Jahre 2011 gewann Maja Haderlap den Bachmann-Preis für ihren Debütroman „Engel des Vergessens“. „Nachtfrauen“ heißt Haderlaps neuer Roman, nominiert für den Österreichischen Buchpreis. Inhaltlich zieht es Haderlap nach Südkärnten: Die Wahl-Wienerin Mira fährt nach Jaundorf, um ihre Mutter davon zu überzeugen, in ein Altersheim zu ziehen. Der Erbe, Miras Cousin Franz, will auf besagtem Grund eine Werkstatt errichten. In Mira werden unerwartet Emotionen bezüglich Herkunft und Elternhaus ausgelöst.
Emotionale Stärke
Haderlaps spricht mit einer detailreichen Sprache über Landschaft und Umgebung die starke Thematik der Ächtung der slowenischen Volksgruppe in Kärnten und die damit verbundenen Emotionen und Folgen an. Wenngleich die emotionale Ebene des Romans Haderlaps Stärke ist und im Inhalt viel Potenzial steckt, wirkt die Interpretation dessen in mancher Hinsicht eintönig. Durch die oberflächliche Beschreibung der Figuren scheitert eine Identifikation mit ihnen und es entsteht eine Distanz zu ihnen und so auch zu ihrem Roman.

Wie sterben geht
Andreas Pflüger,
Suhrkamp Verlag,
447 Seiten