Bilder aus dem Bregenzerwald

Portraits sind in unserer Zeit omnipräsent. Die meisten davon nehmen wir selbst auf, als Selfies und eigentlich kann man sie schon fast nicht mehr sehen. Woher kommt sie, die verzweifelte Lust am eigenen Bild, an der Selbstdarstellung, und was werden unsere Nachfahren irgendwann einmal darüber denken?
Die aktuelle Ausstellung im vorarlberg museum kommt fast ohne Selbstportraits aus. Sie dokumentiert das Schaffen der Fotografen-Familie Hiller aus dem Bregenzerwald, deren Archiv nun im vorarlberg museum als Ausstellung gezeigt wird und einzigartige Einblicke in die Geschichte des Bregenzerwaldes, aber auch der frühen fotografischen Bildpraxis gewährt.
Mein erster Kontakt zu diesem Thema kommt von ganz anderer Stelle, aus der Architektur. Die Räume des Fotostudios Hiller in Bezau werden heute als Architekturbüro genützt. Die Architekten Markus Innauer und Sven Matt haben dort seit einigen Jahren ihre Bleibe und hüten dort ein zweifaches Erbe. Den kulturell und sozial bedeutsamen Ort des ehemaligen Fotostudios und eine der ersten Wirkungsstätten des Architekten und Vorreiters des Vorarlberger Holzbaus Leopold Kaufmann, der in den 1960er-Jahren hier die Räume des Fotostudios gestaltete. Das Erbe der Familie Hiller geht viel weiter zurück und darüber erzählt die Ausstellung im vorarlberg museum in mehrfacher Weise, denn sie widmet sich über die Familiengeschichte hinaus der Entwicklung der Fotografie als Berufsdisziplin wie auch anhand technischer Errungenschaften und der Sozialgeschichte des Bregenzerwaldes, denn kaum ein(e) Wälder(in) aus den vergangenen Jahrzehnten, die/der hier nicht abgelichtet wurde, sei es auf Erstkommunionfotos, Fotos von Soldaten anlässlich ihrer Einberufung, Hochzeitsaufnahmen, Familienportraits, über Aufnahmen aus dem Fundus der vielfältigen Vereinsgeschichten oder am Sterbebett in Form einer „post mortem“-Fotografie. Auch Landschaftsaufnahmen sind dabei, Dorfportraits und gar nicht wenige Häuser. Über 100.000 Aufnahmen entstanden zwischen 1922 und 1995.
Die Kombination aus doppelter Sach- und Fachkenntnis macht den Besuch dieser Ausstellung zu einem besonders lohnenden Erlebnis.
Verena Konrad
Kuratiert wurde die Ausstellung von Arno Gisinger, aus Vorarlberg stammender und in Paris lebender Fotograf und Historiker. Die Kombination aus doppelter Sach- und Fachkenntnis macht den Besuch dieser Ausstellung zu einem besonders lohnenden Erlebnis, die vielfach gelobte Museumspädagogik und Vermittlungskompetenz des vorarlberg museums tut ihr Übriges, um den Stoff nah an die eigene Erfahrungs- und Erlebniswelt heranzutragen, sei es in Generationenführungen oder im Kreativatelier für junge Menschen. Als wirklich gelungen sei zudem die Ausstellungsgestaltung von Roland Stecher erwähnt – sonst nur Adeligen und reichen Bürgerlichen vorbehalten, breiten sich die zahlreichen Einzel- und Gruppenportraits ähnlich einer Ahnengalerie raumhoch auf Stoffbahnen aus. Was für eine Geste!
Die Bereitschaft der Familie, das Archiv in fachkundige Hände zu legen und damit seinen Erhalt zu sichern, aber auch die Bereitschaft zahlreicher Einrichtungen, in diesem Fall der Landesbibliothek, des Bregenzerwald Archivs und des vorarlberg museums, es zu übernehmen, zeugen von eben jener Kooperationskultur, die es braucht, damit kulturelle Schätze dieser Art jene Würdigung erfahren, die sie verdienen.
Verena Konrad ist Kunsthistorikerin und leitet das vai Vorarlberger Architektur Institut.