Kompetenzzentrum für Neue Musik

Kultur / 05.11.2023 • 18:02 Uhr
Stargast Georg Friedrich Haas, im Montafon aufgewachsen, internationales Aushängeschild der Neuen Musik, im Gespräch mit Eva Teimel von Ö1.
Stargast Georg Friedrich Haas, im Montafon aufgewachsen, internationales Aushängeschild der Neuen Musik, im Gespräch mit Eva Teimel von Ö1.

Das Festival „texte & töne“ im ORF hat sich zur attraktiven Informationsquelle entwickelt.

von Fritz Jurmann

DORNBIRN Wer wissen möchte, was derzeit läuft in der Neuen Musik und Literatur, im Land und international, wird einmal jährlich beim Festival „texte & töne“ informiert, das in zehn Jahren zunehmend zur Marke, zum Kompetenzzentrum für diesen Bereich geworden ist. Die Information des zahlreich erschienenen Publikums im ORF-Landesfunkhaus erfolgt ohne jede Lehrhaftigkeit in lockeren Interviews mit Komponisten und Interpreten, das Übrige besorgen in einer unglaublichen Ausdrucksvielfalt Musik und Texte samt vier Uraufführungen. Mit denen wird man auch bei der jüngsten Ausgabe am Samstag je nach Durchhaltevermögen innerhalb von knapp acht Stunden reichlich und auf hervorragendem Niveau konfrontiert. 

Das Ensemble plus spielt das Stück „…fließend…“ von Georg Friedrich Haas mit Thomas Gertner als Dirigenten.
Das Ensemble plus spielt das Stück „…fließend…“ von Georg Friedrich Haas mit Thomas Gertner als Dirigenten.

ORF-Landesdirektor Markus Klement bringt die Intentionen auf den Punkt: „In Zeiten wie diesen, in der die Gesellschaft oftmals nicht die geeigneten Worte findet, können Neue Musik und Literatur eine starke Stimme sein.“ Weiter verantwortlich sind das Ensemble plus mit dem Bratschisten Guy Speyers, Literatur Vorarlberg mit Erika Kronabitter und das SOV mit Sebastian Hazod.

Der Komponist Georg Friedrich Haas links mit dem Dirigenten Thomas Gertner und Musikern im Applaus.
Der Komponist Georg Friedrich Haas links mit dem Dirigenten Thomas Gertner und Musikern im Applaus.

Renommiertester zeitgenössischer Komponist

Der Nachmittag beginnt gleich mit einem Paukenschlag, einer Hommage zum 70. Geburtstag des im Montafon aufgewachsenen Komponisten Georg Friedrich Haas, der heute in New York lebt und zu den renommiertesten zeitgenössischen Komponisten zählt. Er weilt zur Präsentation seines neuen Buches „Durch vergiftete Zeiten“ im Land. Im Gespräch mit Eva Teimel von Ö1, die gemeinsam mit Jasmin Ölz-Barnay durch das Programm führt, verweigert Haas partout jede Diskussion über die Mikrotonalität als Grundlage seines Schaffens, weil sie für ihn längst selbstverständlich ist. Dafür spricht sein Werk „…fließend…“, vom Ensemble plus unter Thomas Gertner hervorragend interpretiert, eine umso deutlichere Sprache, entwickelt in ständigem Auf und Ab von Tempo und Dynamik einen zwingenden Flow.

Autor Mathias Müller, Literaturpreisträger des Landes 2023, bei seiner Lesung.
Autor Mathias Müller, Literaturpreisträger des Landes 2023, bei seiner Lesung.

Den 60. Geburtstag feierte auch die in Röthis lebende Komponistin Gerda Poppa. Von ihren beiden Werken hinterlässt das erste, das Duo „Bin Air“ mit seinen Klangspielereien, mehr Eindruck als die Uraufführung des Trios „Sagittarius“, in dem sie ohne merkbare Entwicklung das Geheimnis des „Schwarzen Lochs“ ergründen wollte. Erstmals erklingt auch das im Vorjahr entfallene Auftragswerk „Animal Insomne“ des Russen Wladimir Rosinskij. Deutliche Impulse kommen durch zwei Werke mit zugespielter Elektronik: ein auf Beethoven-Zitate bezogenes Streichtrio von Malte Giesen und mit „Zimmer I – III“ von Sarah Nemtsov das spektakulärste Werk dieses Programmteils, mit ständig umgestimmter Harfe und Laptop-Schreibgeräuschen.  Eingebettet sind drei Lesungen von Autoren wie dem Bludenzer Literaturwissenschaftler Mathias Müller als Literaturpreisträger des Landes 2023 mit „Die Bühne wächst“, dem aus Lauterach stammenden André Pilz mit seiner Erzählung „1979“ oder der Stuttgarterin Ann Kathrin Ast, die im Vorjahr den Feldkircher Lyrikpreis erhielt.

Programmverantwortlicher Guy Speyers (Mitte) mit Musikern des Ensemble plus beim „Streichtrio“ von Malte Giesen.
Programmverantwortlicher Guy Speyers (Mitte) mit Musikern des Ensemble plus beim „Streichtrio“ von Malte Giesen.

Im Abendkonzert beweist das in beachtlicher Stärke angetretene SOV, dass es auch im Bereich der Neuen Musik durchaus ein Wörtchen mitzureden hat, auch wenn die Konzert-Akustik im Studio 3 fehlt. Dafür entschädigt mit dem südafrikanischen Dirigenten Xandi Van Dijk ein junger Heißsporn, der in „Ixeshai“, einem Stück Folklore aus seiner Heimat mit Kuhglocken-Rhythmik, fast zu tanzen anfängt und dem die Musiker des SOV mit Begeisterung folgen. Otto Wankes „Morphen“ am Beginn und das Cellokonzert „Drift“ von Gerald Resch mit dem mitreißenden Solisten Aleksey Stadler ist Neue Musik von allerbestem Zuschnitt. Am Schluss erhält das Konzert mit schmachtend gefühlvollen Klängen des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov noch eine beklemmende politische Komponente – zum Weinen schön. Aus dieser Stimmung führt mit „Humility & Gratitude & Love“ ein Stück bester Unterhaltungsmusik für Jazzensemble des 35-jährigen vielseitigen Auers Jodok Lingg in einer Late Night Session zum fröhlichen Ausklang.

Die heimische Komponistin Gerda Poppa im Gespräch mit Moderatorin Eva Teimel.
Die heimische Komponistin Gerda Poppa im Gespräch mit Moderatorin Eva Teimel.

Im Radio: 12. Dezember, 19.30 Uhr, Ö 1                    

Autorin Ann Kathrin Ast aus Stuttgart, Trägerin des Feldkircher Lyrikpreises 2022, bei ihrer Lesung.
Autorin Ann Kathrin Ast aus Stuttgart, Trägerin des Feldkircher Lyrikpreises 2022, bei ihrer Lesung.
Geräusche sind auch Musik: Laptop-Klappern gehört zum Werk „Zimmer I – III“ der deutschen Komponistin Sarah Nemtsov.
Geräusche sind auch Musik: Laptop-Klappern gehört zum Werk „Zimmer I – III“ der deutschen Komponistin Sarah Nemtsov.
Das Symphonieorchester Vorarlberg spielt unter der Leitung des südafrikanischen Dirigenten Xandi Van Dijk.
Das Symphonieorchester Vorarlberg spielt unter der Leitung des südafrikanischen Dirigenten Xandi Van Dijk.
Der russische Cellist Aleksey Stadler als Solist im Cellokonzert von Gerald Resch.
Der russische Cellist Aleksey Stadler als Solist im Cellokonzert von Gerald Resch.