Eine harte Realität voller Schmerz

„Vatermal“: Emotionale Tiefe und kulturelle Zerrissenheit.
Debüt Der für den deutschen Buchpreis nominierte Erstling von Theaterautor Necati Öziri beschreibt, erzählt und entführt mit lyrischen Höhenflügen in eine harte Realität voller Schmerz, Ungerechtigkeit und Tiefschläge. „Vatermal“ erzählt die Lebensgeschichte einer Familie, deren Wege immer wieder zusammenkommen und auseinanderführen, vom Erdbeben in der Türkei bis in die Einwohnermeldeämter des Ruhrgebiets. Ardas Mutter Ümran, die in einem kleinen Dorf in der Türkei aufwächst und wegen den Auswirkungen eines Erdbebens nach Deutschland flüchten muss, lernt dort Ardas Vater kennen. Metin ist wegen seiner politischen Aktivität aus der Türkei geflohen. Doch zwischen den beiden gibt es Konflikte, die eskalieren und mit dem Verschwinden des Vaters enden. Arda lernt seinen Vater daher nie kennen. Als er schwer krank ist, schreibt er ihm: „Wenn du das hier liest, Metin, werde ich wahrscheinlich tot sein.“ Wie der Vater hat auch der Sohn einen schwarzen Fleck unter dem linken Auge. „Sein Vatermal“ nennt er es und trägt die Abwesenheit des Vaters immer mit sich. Bei den Machtkämpfen in der Schule, der Identitätssuche der Jugend, der Zerrissenheit zwischen den Kulturen, dem Leiden unter der überforderten Mutter und ihrem Alkoholkonsum. Öziri zeigt in seinem Roman komplexe Figuren und verschiedene Blickwinkel auf. Auf den knapp 300 Seiten fügt der Autor Schicksale zusammen, verwirrt und entwirrt sie wieder. Er lässt Leser mit Ereignissen zurück und gibt Raum und Platz zum Denken. Man fühlt die Schwere der Protagonisten, wird eingesogen in das Gefühlschaos eines Jugendlichen und verliert sich in der emotionalen Tiefe der Erzählung. Sehr berührend. CRO
Vatermal, Necati Öziri, Claassen-Verlag,
304 Seiten