Arzt, Hotelier, Fabrikant und Politiker

Kultur / 17.02.2024 • 10:00 Uhr
Arzt, Hotelier, Fabrikant und Politiker

Meinrad Pichler über Dr. Franz Christian Feurstein (1829–1896).

Als Kurstadt und mondäner Ort für die Sommerfrische stand Gmunden am Traunsee lange im Schatten von Bad Ischl. Gmunden war bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts der Umschlagplatz für das Salz. Im Zentrum der Gemeinde stand nicht nur das landesfürstliche Salzamt, von hier aus wurde zur Fastenzeit auch der Wiener Hof mit Fischen beliefert. Mit dem Bau der Eisenbahn ging nun das Salz direkt in die Zentren und Gmunden benötigte neue wirtschaftliche Impulse. Das war die Chance für einen initiativen jungen Mann aus dem Bregenzerwald namens Franz Christian Feurstein. Er war 1829 in Bezau geboren, hatte in Innsbruck, Prag und Wien Medizin studiert und kam 1860 als Arzt nach Gmunden. „Dieser Mann,“ schrieb ein späterer Ortshistoriker, „mochte wohl schon damals vorausgesehen haben, dass die Tage der Salzstadt Gmunden gezählt sind und daher für die Bewohner andere Einnahmsquellen geschaffen werden müssen.“ Seine Vision für Gmunden bezog der junge Mediziner aus der nahen Kurstadt Bad Ischl. Mit der Tatkraft seines Vaters, eines Baumeisters, und dem Geschick und der Umsicht seiner wirtenden Mutter, schickte er sich an, Gmunden innerhalb eines guten Jahrzehnts in ein bedeutendes Tourismuszentrum umzubauen.

Arzt, Hotelier, Fabrikant und Politiker
Dr. Franz Christian Feurstein (1829 1896) aus Bezau: Arzt, Hotelier, Fabrikant und Landtagsabgeordneter. Krakowski

Bereits ein Jahr nach seiner Ankunft eröffnete Feurstein eine Kuranstalt, in der „unter anderem Sole-, Dampf-, Schwefel-, Molke- und Fichtennadelbäder“ angeboten wurden. „Heute“, jubelte das Gmundner Wochenblatt, „wurde das von Herrn Medicinal Doctor C. Feurstein an der Esplanade erbaute Cur- und Badehaus eröffnet, welches schon hinsichtlich seiner äußeren Erscheinung als eine neue Zierde von Gmunden zu nennen ist.“

Um die Stadt inklusive sein eigenes Haus als Kurort bewerben zu können, bemühte er sich erfolgreich bei der oberösterreichischen Landesregierung um das Kurstatut für Gmunden. Als nächsten Schritt gründete er mit Honoratioren, Gastwirten und Kaufleuten ein „Cur- und Verschönerungs-Comité“, das für den Ausbau der touristischen Infrastruktur Sorge trug. Da vornehme Kurorte mit einem öffentlichen Salon aufwarten konnten, sollte auch Gmunden über einen solchen verfügen. Dazu gründete Dr. Feurstein eine eigene Aktiengesellschaft, an der die Stadtgemeinde im Wert des zur Verfügung gestellten Baugrundes beteiligt war. 1868 konnte der Kursalon, erbaut „in korinthischem Stil“, feierlich eröffnet werden. Neben Gastronomie und einem Veranstaltungssaal bot er einen „Lesesalon“, einen Damensaal und ein Billardzimmer.

Im Stadtrat, in welchen er mittlerweile gewählt worden war, kämpfte er für die Anlegung eines Kurparks und eine Verbesserung der Schiffsanlegestelle.

Als weitere Marketingmaßnahme verfasste er einen „Wegweiser und Rathgeber für Curgäste“, in dem er touristische Einrichtungen und Landschaft vorstellte. Der 120-seitige Führer erlebte bis hin zu seinem Tod zahlreiche Neuauflagen. Er übergebe „das Werkchen“, meinte er nicht ohne Understatement im Vorwort, „allen, welche teils der lieblichen Landschaft, teils ihrer gestörten Gesundheit oder Kräftigung des Körpers wegen das freundliche Seestädtchen als Aufenthalt wählen.“

Arzt, Hotelier, Fabrikant und Politiker
Das 1865 erbaute Hotel Bellevue besaß einen eigenen Dampfersteg, und zu jedem ankommenden und abfahrenden Zug stand den Gästen des Hauses eine eigene Hotelkutsche zur Verfügung.

Neben seinem öffentlichen Engagement galten auch seine privaten Anstrengungen der Teilhabe am Kurtourismus. 1865 ließ er seine Kuranstalt zu einem vornehmen Hotel ausbauen, das den klangvollen Namen „Bellevue“ erhielt. Dass sich der Kurarzt der Hotellerie zuwandte und schließlich 1872 die Praxis aufgab, hatte unmittelbar mit seiner Heirat im Jahr 1864 zu tun. Seine Gattin Maria Koch stammte aus einem der angesehensten Häuser des Salzkammergutes. Ihre Eltern besaßen das Hotel Post in Bad Ischl und ihre Mutter galt als die tüchtigste Gastgeberin weitum. Das Haus, aus dem Maria Feurstein-Koch stammte, in dem Erzherzoge mit Gefolge ein und aus gingen, hatte mit dem Dorfgasthaus Dreikönig in Bezau, das Feuersteins Mutter betrieb, wenig gemeinsam.

Die junge Frau Feurstein war also auf die Führung eines mondänen Hotels vorbereitet und brachte zu dessen Errichtung eine stattliche Mitgift ein.

Bald nach der erfolgreichen Etablierung des Hotelbetriebes wandte sich Feurstein neuen Aktivitäten zu. Da waren einmal seine öffentlichen Ämter und Aufgaben, denen er sich bis in die 1880er-Jahre widmete. Der Bestellung zum Stadtrat folgte 1867 die Wahl in den oberösterreichischen Landtag. Zudem bekleidete er durch viele Jahre hindurch das Amt eines Direktors der städtischen Sparkasse.


Fabrikgründer

Bereits Ende der 1860er-Jahre schuf sich Feurstein eine zweite wirtschaftliche Existenz: Firmierte er in Gmunden unter dem Vornamen Christian und setzte sich als Kurarzt für die Gesundheit der Menschen ein, so trat er andernorts als Dr. Franz Feurstein mit weniger medizinischem Ethos auf. Er hatte nämlich am Rande der Stadt Traun eine abgebrannte Mühle erworben, an deren Stelle er eine Papierfabrik errichtete. Hier ließ der Arzt Zigarettenpapier herstellen. Mit der Leitung des Betriebe betraute er ab 1892 seinen Sohn Hans. Dieser starb aber bereits im Juli 1896, nur 24 Jahre alt, an Tuberkulose. 1903 verkaufte die Witwe Maria Feurstein die Fabrik, die heute noch unter dem Namen „Dr. Franz Feurstein GmbH“ als Teil des Konzerns Delfort Spezialpapier produziert.

Dr. Feurstein selbst zog sich nach 1890 weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück. Ein Gichtleiden lähmte seine Aktivitäten zusehends. Ein letztes Aufsehen erregte er als Sprecher der Gegnerschaft einer geplanten Wasserversorgung in Gmunden. Die Gemeinde beabsichtigte den Bau einer Tiefwasserleitung für die Stadt, während die Gruppe um Feurstein den Plan für zu teuer und das auf diese Art hergeleitete Wasser nur als besseres Seewasser erachtete. Wenn schon eine neue Wasserversorgung, dann eine Hochquellleitung, forderte die Opposition. Als die Gemeinde auf ihrem Projekt beharrte und die Landesregierung ihren Segen dazu gab, schickte Feurstein seine Ehrenbürger-Urkunde dem Bürgermeister zurück. Diese hatte er anlässlich des „fünfundzwanzigsten Curortjubiläums“ im Jahr 1886 in einer erhebenden Feier erhalten. Darin hatte es geheißen: „Was Gmunden mit Ausnahme seiner Naturreize, die ein Geschenk Gottes sind, bietet, hat es vornehmlich den Anregungen dieses ausgezeichneten Mannes zu verdanken, und Dr. Feurstein war es, der die Erhebung Gmundens zum Curorte durchsetzte und damit zum Schöpfer des wachsenden Wohlstandes seiner Mitbürger wurde.“ Vom Ärger über die seiner Meinung nach uneinsichtige Stadtregierung und die „Invectiven der Gegner“ zermürbt, durch seine Krankheit geschwächt und durch den frühen Tod seines Sohnes gebrochen, begab sich Dr. Feurstein mit seiner Gattin in das Kurbad Tüffer (heute slowenisch Laško) in der damaligen Südsteiermark. Dieses berühmte Heilbad wurde von der Schwester von Maria Feurstein und deren Mann betrieben. Dem kranken Doktor brachte der Aufenthalt im Gesundheitszentrum aber keine Heilung. Der Kurarzt starb während einer Kuranwendung am 9. August 1896 an Herzversagen.

Arzt, Hotelier, Fabrikant und Politiker
In einem mehrfach neu aufgelegten Buch bewarb Dr. Feurstein die landschaftliche Schönheit und die touristische Infrastruktur des Kurortes Gmunden am Traunsee.

Trotz der Querelen, die er mit der Stadtregierung zuletzt ausgefochten hatte, wusste auch diese um die Verdienste von Dr. Feurstein. „Als Curort und Sommerfrische ersten Ranges,“ dankte der Bürgermeister dem Tourismuspionier, „ist Gmunden nicht nur der ständige Wohnsitz hoher und höchster Herrschaften, sondern auch alljährlich das Reiseziel Tausender aus allen Weltgegenden.“ Und als bleibendes und sichtbares Zeichen der Wertschätzung beschloss der Gmundner Stadtrat, eine neu angelegte Straße nach Dr. Feurstein zu benennen.

Den Gemeindearmen seiner Heimatgemeinde Bezau vermachte der Verstorbene 200 Gulden, die von der Witwe „unverzüglich angewiesen“ wurden.

In Feursteins ehemaligem Hotel Bellevue ist heute die Bezirkshauptmannschaft Gmunden untergebracht.

Der Historiker Meinrad Pichler stellt in der Serie „Avantgarde“ historische Persönlichkeiten in und aus Vorarlberg vor, die auf wirtschaftlichem, sozialem oder kulturellem Gebiet vorangegangen sind beziehungsweise vorausgedacht haben und damit über ihre Zeit hinaus wirksam wurden. Neben biografischen Stationen gilt es deshalb vor allem zu zeigen, was diese Personen öffentlich Bleibendes geschaffen, erfunden oder erdacht haben. Da durch aktuelle Gegebenheiten wieder vieles neu gedacht und eingerichtet werden muss, sind innovative Köpfe immer gefragt.