Malerei und Fotografie im Einklang

Gerhard Richter und die Fotografie.
München Gerhard Richter, 1932 in Dresden geboren, zählt zu den bedeutendsten Malern der Gegenwart. Er lehrte von 1971 bis 1993 an der Düsseldorfer Kunstakademie und lebt heute in Köln. Anfang der 1960er-Jahre trat Richter in die Kunstszene ein und nutzte Amateurfotografien als Vorlagen für seine Ölgemälde. Obwohl er oft als “Fotorealist” bezeichnet wird, greift diese Bezeichnung zu kurz. Seine künstlerische Vielfalt und seine Fähigkeit, das Publikum zu überraschen, zeugen von einer tiefen Auseinandersetzung mit der Fotografie.

Neben seiner Malerei griff Richter selbst zur Kamera und schuf eindrucksvolle Fotografien und Porträts seiner Zeitgenossen. Diese Arbeiten werden zunehmend als eigenständige Kunstwerke anerkannt. Ein wichtiges Werk in Richters fotografischem Œuvre ist das Mao-Porträt von 1970, mit dem er zum Wegbereiter der Großbildfotografie der Düsseldorfer Schule wurde. Seine Landschaftsaufnahmen erinnern an die romantischen Werke Caspar David Friedrichs, während seine Künstlerporträts, wie das von Gilbert & George, subtile Einblicke in die zeitgenössische Kunstszene geben.

Seit Richter begann, Ölbilder nach Fotovorlagen zu malen, ist sein Werk untrennbar mit der Fotografie verbunden. Dabei unterscheidet sich sein Ansatz deutlich von dem seiner Zeitgenossen. Die Fotografie fasziniert ihn durch ihre Neutralität. Für Richter ermöglicht das fotografische Sehen eine unvoreingenommene Annäherung an die Wirklichkeit: „Das Foto gibt die Gegenstände in anderer Wiese wieder als das gemalte Bild, weil der Fotoapparat die Gegenstände nicht erkennt, sondern sieht.“, so Richter. Nach fotografischen Vorlagen zu malen, bedeutete für ihn, alle vorgefassten Meinungen beiseitezulegen. Er versuchte, die Wahrheit in der Offenbarung des Bildes zu finden. Beim Abmalen eines Fotos, erklärte Richter, sei „das bewusste Denken ausgeschaltet“. Die Grautöne in seinen Gemälden verstand er als Projektionen der Wirklichkeit, die zugleich Abbild und eigenständiges Phänomen sind.

Richters Werk verwischt die Grenze zwischen passiver Kopie und kritischer Darstellung. Indem er Fotografien auf die Leinwand übertrug, demonstrierte er sein distanziertes Verhältnis zur Wirklichkeit. Seine bemerkenswerte Aussage, er könne auf das Foto verzichten, wenn das Ergebnis nicht wie ein gemaltes Foto aussehe, verdeutlicht seine Suche nach einer unmittelbaren Darstellung.

Gerhard Richter hat in seinem Werk die Grenzen zwischen Malerei und Fotografie aufgehoben und eine unverwechselbare Bildsprache entwickelt, die bis heute weltweit Anerkennung findet. Seine Fotografien und Gemälde sind Zeugnisse eines scharfsinnigen und unermüdlichen Künstlers, der immer wieder neue Wege findet, die Wirklichkeit zu sehen und darzustellen. Das Buch „Gerhard Richter: Photographs“ umfasst 96 Seiten und enthält 38 Farbtafeln. Es bietet in einer deutsch-englischen Ausgabe einen umfassenden Einblick in Richters fotografisches Werk und würdigt die Bedeutung der Fotografie für seine Kunst.
Gerhard Richter Photographs
Mit einem Text von Dieter Schwarz
Katalog der Galerie Sies + Höke, Düsseldorf
96 Seiten, 38 Farbtafeln
Deutsch/englische Ausgabe