Begeistert vom Wiener Klang

Der neue Chefdirigent der Wiener Symphoniker leitet erstmals in Bregenz ein Konzert.
Bregenz So rasch können sich Posten und Positionen ändern, auch im Kulturbereich. Eben noch wurde in der Saison 2021/22 mit dem Kolumbianer Andrés Orozco-Estrada der neue Chefdirigent der Wiener Symphoniker nach dem an die Staatsoper berufenen Philippe Jordan vorgestellt – schon ein Jahr später hat er das Orchester überraschend wieder verlassen. Die sorgfältige Suche nach einer Neubesetzung unter Mitwirkung der Musiker fiel einhellig auf den jungen tschechischen Dirigenten Petr Popelka, der zuvor das Orchester mit Mahlers Symphonie Nr. 1 voll zu überzeugen verstanden hatte. Damit wurde er ab der Jubiläumssaison 2024/25 zum 125-jährigen Bestehen der Symphoniker auf fünf Jahre als deren neuer Chefdirigent bestellt. Popelka stammt aus Prag und war als Kontrabassist bei Christian Thielemanns Sächsischer Staatskapelle Dresden engagiert, bevor er selber zum Dirigieren kam. In Bregenz steht er am Montag erstmals beim 3. Orchesterkonzert am Pult der Wiener Symphoniker.
Herr Popelka, was zeichnet für Sie die Wiener Symphoniker im Reigen der internationalen Konzertorchester aus?
Ich kenne die Wiener Symphoniker schon lange. In meiner Jugend bin ich oft mit meinen Eltern von Prag nach Wien gefahren, um das Orchester zu hören. Und ich bin noch immer begeistert vom Klang, von ihrer eigenen Form der Artikulation, vom Zusammenspiel. Dieser typische Wiener Klang, der mir sehr liegt, auch die grundsätzliche Art des Musizierens, dieses musikantische Spiel, das gefällt mir sehr.

Von einem neuen Chef erwartet man neue Impulse, Anpassungen, Veränderungen. Sie wollen raus aus den Konzertsälen, verstärkt heutige Musik spielen mit jungen Komponisten und Musikern?
Das ist alles nichts Neues für die Wiener Symphoniker. Seit Ihrer Gründung 1900 haben sie wichtige Uraufführungen gespielt, haben neue Konzertorte ausprobiert und fast in der ganzen Stadt Musik gemacht. Es ist ein sehr dynamisches Orchester, ein Orchester, das stark in der Gegenwart verhaftet ist. Ich stülpe also kein fremdes Konzept über, sondern versuche die Stärken dieses Klangkörpers weiterzuentwickeln. Und das ist ein gemeinsamer Prozess, der hoffentlich allen Spaß macht.
Die Frage wird sein: Wie lässt sich diese neue Stoßrichtung mit dem Image eines Traditionsorchesters vereinbaren, dem von Ihnen bereits erwähnten Wiener Klang als Markenzeichen, den man auch bei uns liebt?
Der Wiener Klang und der Klang des Orchesters werden ja nicht beeinträchtigt. Im Gegenteil. Mir geht es darum, die Stärken des Orchesters zu zeigen, zu entwickeln und in der Gegenwart zu verankern. Sie brauchen also keine Angst zu haben!

Bei Ihnen selbst stand zuerst der Kontrabass, zum Dirigieren kamen Sie erst relativ spät?
Ich bin auch zum Kontrabass relativ spät gekommen. Aber das Eine geht für mich nicht ohne das Andere. Das betrifft meine Arbeit als Dirigent, als Komponist und als ehemaliger Orchestermusiker. Es ist für mich ein organischer Prozess gewesen und ist es noch immer. Über allem steht die tiefe Auseinandersetzung mit Musik. In welcher Form ich mich ihr nähere, ist zweitrangig.
In Bregenz dirigieren Sie zum ersten Mal – wie sehen Sie als Chefdirigent generell die Position der Wiener Symphoniker als Orchestra in Residence der Festspiele?
Für die Wiener Symphoniker haben die Bregenzer Festspiele eine enorme Bedeutung. Das liegt natürlich an der langen, gemeinsamen Geschichte, mit der auch jede Menge persönliche Momente verbunden sind. Das liegt aber auch an der besonders fokussierten Arbeitsweise, die Festspiele mit sich bringen und von der auch das Orchester profitiert. Die Wiener Symphoniker sind seit bald 80 Jahren das Residenzorchester in Bregenz, da ist es mir eine große Freude und auch eine große Ehre, Teil dieser gemeinsamen Geschichte zu werden.
Sie sind ja selbst auch als Komponist tätig – da kommt es Ihnen sicher entgegen, dass Sie beim 3. Orchesterkonzert zusammen mit dem Prager Philharmonischen Chor aus Ihrer Heimatstadt das neue Werk „Love and the Fever“ Ihres Tiroler Kollegen Thomas Larcher aufführen werden?
Meine eigene Arbeit hilft mir sehr dabei, die Ideen und Arbeitsweisen anderer Komponisten zu verstehen. Und es ist jedes Mal ein Privileg, Werke zeitgenössischer Komponisten aufzuführen, weil im Probenprozess – bei dem die Komponisten ja meist anwesend sind – noch ganz viel gemeinsam entwickelt werden kann. Larchers Werk ist sehr stark an den Text gebunden. In diesem Fall sind das fantasievolle, farbenreiche japanische Gedichte, und ebenso ist seine Musik. Ich freue mich sehr auf das Konzert. Fritz Jurmann
Orchesterkonzert: 5. August, 19.30 Uhr, Festspielhaus – Wiener Symphoniker, Prager Philharmonischer Chor, Dirigent: Petr Popelka (Werke von Weber, Schumann, Larcher)
Zur Person
Geboren: 1986 in Prag
Ausbildung als Kontrabassist in Prag und Freiburg; ab 2016 vermehr als Dirigent (Impulse von Peter Eötvös und Alan Gilbert)
Tätigkeit 2015 Composer in Residence beim PODIUM festival Mödling, Chefdirigent der Rundfunkorchester in Oslo und Prag, ab 2024/25 Chefdirigent der Wiener Symphoniker