Im Zeichen der Fuge

Kultur / 30.09.2024 • 15:01 Uhr
Bregenz am 29.9.2024 SOV Symphonieorchester Vorarlberg, Konzert im Festspielhaus, Violinkonzert mit Geiger Kolja Blacher
Saisonauftakt des Symphonieorchesters Vorarlberg mit Bartók, Blacher und Mozart. dietmar mathis

Stimmiger Saisonauftakt des Symphonieorchesters Vorarlberg.

Bregenz Es passte einfach alles an diesem Sonntagabend im Bregenzer Festspielhaus: die Programmauswahl, die zwei selten gespielte Klassiker der Moderne mit einem Spitzenwerk der Wiener Klassik kombinierte. Das glänzend disponierte Orchester, das mit der neuen Konzertmeisterin Michaela Girardi eine Aura konzentrierter Ruhe ausstrahlte. Der renommierte deutsche Dirigent Roland Kluttig, zuletzt Chef der Grazer Oper und erstmals am Pult des SOV, und nicht zuletzt der international gefragte Geiger Kolja Blacher.

Bregenz am 29.9.2024 SOV Symphonieorchester Vorarlberg, Konzert im Festspielhaus, Violinkonzert mit Geiger Kolja Blacher
Kolja Blacher, der das SOV bereits im Jahr 2022 vom Pult des Konzertmeisters aus dirigiert hat, zeigte sich auch als Solist souverän. dietmar mathis

Kluttig wies in seiner Moderation darauf hin, dass es der Wunsch des Orchesters gewesen sei, Mozarts Jupitersymphonie aufzuführen, deren letzter Satz ein Meisterwerk raffinierter Fugenkunst ist. Eine Fächerfuge dominiere auch den 1. Satz von Bartóks Musik für Saiteninstrumente, Schlagwerk und Celesta. Boris Blacher wiederum war u. a. von Bartók beeinflusst. Und über allem schwebe Johann Sebastian Bach, der zwar nicht auf dem Programm stünde, aber doch noch vorkäme.

Bregenz am 29.9.2024 SOV Symphonieorchester Vorarlberg, Konzert im Festspielhaus, Violinkonzert mit Geiger Kolja Blacher
Kluttig wies darauf hin, dass es der Wunsch des Orchesters gewesen sei, Mozarts Jupitersymphonie aufzuführen. dietmar mathis

Unerhört neu ist die Besetzung von Bartóks Komposition von 1937: Er stellt zwei Streichergruppen einander gegenüber, verzichtet auf Bläser, setzt aber Pauken und viel Schlagwerk, Harfe, Klavier und Celesta ein. Geheimnisvolle Spannung herrscht im 1. Satz: Die Bratschen schleichen sich piano ein, die anderen Streicher folgen, wellenartig wogt das Klanggewebe bis zu einem Höhepunkt mit Beckenklang und Paukenwirbel, dann ebbt es wieder ab.

Bregenz am 29.9.2024 SOV Symphonieorchester Vorarlberg, Konzert im Festspielhaus, Violinkonzert mit Geiger Kolja Blacher
Das Orchester meisterte die exorbitanten technischen Schwierigkeiten mit Bravour. dietmar mathis

Lebhaft und rhythmisch eigenwillig der 2. Satz, mit effektvollem Klavier. Als „Rhapsodie der Geister“ bezeichnete Kluttig den 3. Satz, der nicht ohne Grund in Kubricks Horrorfilm „Shining“ Verwendung findet, wie ein wilder Volkstanz klingt dann der 4. Satz aus. Das Orchester meisterte die exorbitanten technischen Schwierigkeiten mit Bravour, umsichtig und mit deutlichen Gesten von Kluttig geleitet.

Bregenz am 29.9.2024 SOV Symphonieorchester Vorarlberg, Konzert im Festspielhaus, Violinkonzert mit Geiger Kolja Blacher
Boris Blacher hat mit seinem Violinkonzert ein stark vom Jazz inspiriertes Werk geschaffen. dietmar mathis

Boris Blacher hat mit seinem Violinkonzert von 1948 ein ähnlich intensives, stark vom Jazz inspiriertes Werk geschaffen, das die Wiederentdeckung unbedingt verdient hat. Sein Sohn Kolja Blacher, der bereits 2022 das SOV vom Konzertmeisterpult aus dirigiert hat, war auch als Solist souverän: vom lebhaften, rhythmisch akzentuierten 1. Satz an über das melodische, versponnene Andante, in dem die Geige oft mit den Holzbläsern interagiert, die ihre Sache blendend machten, bis zum unmittelbar anschließenden folkloristischen und übermütigen 3. Satz überzeugte er mit technischer Perfektion, plastischer Gestaltung und dem makellos schönen Ton, den er seiner Guarneri del Gesù entlockte. Dieses musikalische Idiom ist seine Vatersprache, das war deutlich zu hören. Als Zugabe erklang dann Bach, der 1. Satz aus der g-Moll Partita für Violine solo. 

Bregenz am 29.9.2024 SOV Symphonieorchester Vorarlberg, Konzert im Festspielhaus, Violinkonzert mit Geiger Kolja Blacher
Der letzte Satz steigerte sich immer mehr bis zu seinem triumphalen Finale.   dietmar mathis

War es der Kontrast mit den sehr heftigen Stücken des ersten Teils, dass Mozarts Jupiter-Symphonie im majestätischen 1. Satz etwas gemächlich klang? Ab dem lyrischen 2. Satz herrschte aber reines Mozartglück: Die Stimmen entfalteten sich organisch zu einem fließenden Geflecht, das Menuett gelang elegant und tänzerisch mit seinem zarten Beginn und den leicht verzögerten Einsätzen im Trio.

Bregenz am 29.9.2024 SOV Symphonieorchester Vorarlberg, Konzert im Festspielhaus, Violinkonzert mit Geiger Kolja Blacher
Das Orchester wurde umsichtig und mit deutlichen Gesten von Kluttig geleitet.

Und dann der letzte Satz, ein bis damals unerreichtes kompositorisches Meisterwerk: Kluttig wählte ein zügiges Tempo, das Stimmengeflecht in den Fugenteilen war kammermusikalisch durchsichtig, dennoch steigerte sich der Satz immer mehr bis zu seinem triumphalen Finale. Entfesselter Jubel des Publikums als Dank für ein fantastisches Konzert.  

Ulrike Längle