Macht, Verführung und Verzweiflung

Kultur / 29.10.2024 • 13:25 Uhr
Fräulein Julie
“Fräulein Julie” mit Rebecca Hammermüller in der Titelrolle und David Kopp als Jean. anja köhler

Strindbergs „Fräulein Julie“ am Vorarlberger Landestheater.

Bregenz Am Donnerstag, den 31. Oktober, feiert August Strindbergs „Fräulein Julie“ in einer Neuinszenierung am Vorarlberger Landestheater Premiere. Das 1888 entstandene Werk zählt zu den einflussreichsten des Naturalismus und beleuchtet in einer einzigen Nacht die düsteren Tiefen gesellschaftlicher und geschlechtsspezifischer Machtstrukturen. Strindbergs Drama zeichnet sich durch die seelische Vielschichtigkeit seiner Charaktere aus und ist auch mehr als 130 Jahre nach seiner Uraufführung ein bedeutender Beitrag zur gesellschaftlichen Reflexion. Die Handlung spielt an einem Mittsommerabend auf einem schwedischen Gutshof, wo die adlige Julie, Tochter des Gutsherrn, in die Welt der Dienstboten eintaucht und auf den ambitionierten Knecht Jean trifft. Aus einem anfänglichen Flirt entwickelt sich rasch ein gefährliches Machtspiel, in dem Verführung und Manipulation dominieren. Jean, der sich von den Fesseln seiner Dienerrolle befreien will, nutzt schamlos Julies innere Zerrissenheit zwischen Freiheitsdrang und dem Druck ihres adeligen Erbes aus. Ihr verzweifelter Versuch, den Zwängen ihrer Klasse zu entfliehen, führt letztlich zu tragischen Konsequenzen.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.

Themen wie Klassenkampf, Macht, Geschlechterrollen und Schicksal werden in den Dialogen und Handlungen der Protagonisten eindrucksvoll verhandelt. Julie, gespielt von Rebecca Hammermüller, steht exemplarisch für eine Frau, die zwischen den Erwartungen ihrer sozialen Stellung und ihren eigenen Sehnsüchten gefangen ist. Ihr Versuch, den gesellschaftlichen Normen zu entkommen, scheitert schließlich. Jean, dargestellt von David Kopp, verkörpert die Ambitionen der unteren Schichten, die nach sozialem Aufstieg streben und dennoch in den Mechanismen von Macht und Unterdrückung verstrickt bleiben. Das Drama verdeutlicht auf beklemmende Weise, dass ein Ausbruch aus diesen festgefahrenen Strukturen kaum möglich ist – weder für Julie, die unter den Konventionen zerbricht, noch für Jean, dessen Traum vom sozialen Aufstieg in bitterem Zynismus endet.

Rebecca Hammermüller
Rebecca Hammermüller spielt das “Fräulein Julie”.

Was „Fräulein Julie“ besonders hervorhebt, ist die seelische Komplexität der Figuren. Strindberg beschreibt die inneren Konflikte und Abgründe seiner Protagonisten mit großer Präzision. Julie und Jean sind keine schlichten Vertreter ihrer Klasse oder ihres Geschlechts, sondern tief widersprüchliche Persönlichkeiten, die sowohl Opfer als auch Täter sind. Ihr Handeln wird nicht nur von äußeren Umständen, sondern auch von ihren inneren Dämonen bestimmt. Strindberg verzichtet auf romantische Verklärungen und zeigt die Welt in ihrer schonungslosen, naturalistischen Härte. Die Dialoge zwischen Julie und Jean sind scharf und brutal und entblößen die wahren Motive und Abgründe der beiden Charaktere. Mit dieser Darstellung fordert Strindberg sein Publikum, sich den dunklen Seiten der menschlichen Existenz zu stellen und sich der Unausweichlichkeit sozialer und instinktiver Zwänge bewusst zu werden.

fräulein julie

Vorarlberger Landestheater

Premiere
Do, 31.10.2024, 19.30 Uhr

Vorstellungen
So, 03.11.2024, 17.00 Uhr
Di, 05.11.2024, 19.30 Uhr
Fr, 27.12.2024, 19.30 Uhr
Di, 31.12.2024, 18.00 Uhr
Do, 30.01.2025, 19.30 Uhr
Sa, 01.02.2025, 19.30 Uhr

Vormittags­vorstellung
Fr, 31.01.2025, 10.00 Uhr