Martina Gedeck liest von Einsamkeit und Hoffnung

Kultur / 17.11.2024 • 13:05 Uhr
Martina Gedeck
Martina Gedeck las aus dem Roman “Die Wand” von Marlen Haushofer. Veronika Breuer

“Die Wand”: Ein literarisch-musikalischer Abend der Montforter Zwischentöne in der Stella.

Feldkirch Eine fast greifbare Stille erfüllte am Freitagabend die Barockkapelle der Stella Vorarlberg. Die Spannung im Raum war spürbar, als zwei Frauen von einzigartiger Ausstrahlung den Raum betraten. Vor allem Martina Gedeck, ganz in Schwarz gekleidet, zog mit ihrer schlichten Eleganz unweigerlich alle Blicke auf sich. Ihre Erscheinung harmonierte perfekt mit der ehrwürdigen Atmosphäre der in gedämpftes Licht getauchten Kapelle. Gedeck setzte sich an einen kleinen Tisch inmitten der barocken Architektur und begann ohne große Vorrede zu lesen.

Martina Gedeck
Die Kapelle verstärkte die Wirkung der Worte und schuf einen atmosphärischen Kontrast zur Erzählung. Veronika Breuer

Sofort erfüllte ihre unverwechselbare Stimme den Raum. In den folgenden 80 Minuten verlieh sie dem Abend eine unvergessliche Intensität. Gedecks Vortrag war ein seltenes Geschenk – voller Präzision, Emotion und Tiefe –, das die Zuhörer tief berührte.

Martina Gedeck
Martina Gedeck erlangte weltweite Popularität durch ihre Rolle in “Das Leben der Anderen”. Veronika Breuer

Martina Gedeck zählt zu den herausragenden Schauspielerinnen des deutschsprachigen Films. Die 1961 in München geborene Künstlerin begann ihre Karriere auf der Theaterbühne und wechselte in den 1980er Jahren zum Film. Mit der Gabe, vielschichtige Charaktere zum Leben zu erwecken, hat sie sich über die Jahrzehnte einen festen Platz in der Filmwelt erobert. Ihren Durchbruch feierte sie mit Sönke Wortmanns “Der bewegte Mann”, weltweite Anerkennung erlangte sie durch ihre Rolle im Oscar-prämierten Film “Das Leben der Anderen”.

Martina Gedeck
Der Abend war ein Beispiel dafür, wie Kunst in all ihren Formen zu einem Erlebnis verschmelzen kann. Veronika Breuer

Martina Gedeck widmete sich an diesem Abend dem Roman “Die Wand” von Marlen Haushofer, der 2012 mit ihr verfilmt wurde und heute als moderner Klassiker gilt. Die Geschichte einer Frau, die durch eine unsichtbare und unüberwindbare Barriere von der Außenwelt abgeschnitten ist, wurde durch ihre Interpretation zu einem tief berührenden Erlebnis. Gedecks Stimme ließ die klaustrophobische Isolation der Protagonistin in jeder Zeile spürbar werden. Die eindringlich geschilderten Herausforderungen des Überlebens, die zivilisationskritischen Reflexionen und existenziellen Fragen des Romans fanden in Gedecks Vortrag eine neue Ausdruckskraft. Die spirituelle Eindringlichkeit der Kapelle verstärkte die Wirkung der Worte und schuf einen atmosphärischen Kontrast zur zeitlosen, aber modernen Thematik der Erzählung.

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Mayumi Hirasaki fügte mit ihrer Barockvioline eine klangliche Dimension hinzu. Veronika Breuer

Ein weiterer Höhepunkt des Abends war die musikalische Begleitung durch Mayumi Hirasaki, eine der führenden Barockgeigerinnen im deutschsprachigen Raum. Die international gefeierte Musikerin fügte mit ihrer Barockvioline eine klangliche Dimension hinzu, die die Lesung wunderbar ergänzte. Ihre Musik war keine bloße Untermalung, sondern ein einfühlsamer Dialog mit Gedecks Worten. Gemeinsam schufen die beiden Künstlerinnen ein harmonisches Zusammenspiel von Literatur und Musik, das tief unter die Haut ging. Hirasaki, Preisträgerin zahlreicher internationaler Wettbewerbe, ist Konzertmeisterin renommierter Ensembles wie Concerto Köln und Professorin am Mozarteum Salzburg.

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Als die letzten Worte verklungen und die letzten Töne verhallt waren, herrschte eine Stille, die kraftvoller wirkte als jeder Applaus. Die Zuhörer verweilten einen Moment in der zauberhaften Atmosphäre der Kapelle, bevor sie langsam wieder in die Realität zurückkehrten. Dieser Abend war ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Kunst in all ihren Formen zu einem einzigartigen Erlebnis verschmelzen kann. Martina Gedeck und Mayumi Hirasaki gelang es, eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Isolation und Gemeinschaft zu schlagen – ein Erlebnis.