Marstheater mit Musik

Kultur / 26.11.2024 • 13:30 Uhr
Markovics und Pro Brass mit Karl Kraus in Dornbirn.
Karl Markovics mit dem Ensemble Pro Brass im Kulturhaus Dornbirn. ulrike längle

Karl Markovics und Pro Brass mit Karl Kraus in Dornbirn.

Dornbirn Karl Kraus hat „Die letzten Tage der Menschheit“ als Reaktion auf die unfassbaren Gräuel des 1. Weltkriegs geschrieben. Der Autor hielt das Stück für unspielbar und hat es für ein „Marstheater“ konzipiert. Am Montag brachte Karl Markovics, Kult-Schauspieler und Drehbuchautor, Szenen daraus im Rahmen von Dornbirn Klassik auf die Bühne des ausverkauften Kulturhauses. Musikalischer Partner war das Ensemble Pro Brass mit Kompositionen des legendären Tiroler Komponisten Werner Pirchner, der ebenso wie Kraus tiefen Ernst mit Unterhaltung und sarkastischem Humor vereint.

Markovics und Pro Brass mit Karl Kraus in Dornbirn.

Das Stück fasziniert vor allem durch die verschiedenen Sprachregister, oft im Originalton der Zeit, die Kraus verarbeitet hat. Da hört man Volksredner mit Kriegshetzphrasen wie „Serbien muss sterbien“, näselnde Wiener Aristokraten, vertrottelte Generäle, zackige preußische Offiziere und vieles mehr. Der Wiener Markovics beherrscht die verschiedenen Idiome perfekt, schlüpft von einer Rolle in die andere, im ersten Teil manchmal leider etwas zu hastig und mit ständig forcierter Lautstärke, im zweiten Teil lässt er den Texten mehr Raum. Auch durch den schnellen Wechsel mit den Musikstücken fühlte man sich im Publikum manchmal wie unter dem Dauerbeschuss von Gewehrsalven. Besonders gut der österreichische General, der die preußische „Organisation“ loben muss, der protestantische Geistliche, der „Mehr Stahl ins Blut“ fordert und der tobende Greißler, der seine Kunden beschimpft. Geradezu gespenstisch der Schlussmonolog, auch, weil Markovics wie eine Habsburgermumie aussieht. Die Abgründigkeit eines Helmut Qualtinger erreicht er allerdings nicht.

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Pro Brass, ein 15-köpfiges österreichisches Ensemble aus fantastischen Blechbläsern, Perkussionisten und einem Pianisten, dem Pirchner einige Kompositionen gewidmet hat, bildete den klanglichen Gegenpol. Perfekt artikuliert, sehr elegant gespielt, mit Verve und Spielwitz gelangen Pirchners hintergründige und stilistisch vielfältige Kompositionen aufs Beste. Fabelhaft, wie der Jazzer Lorenz Raab auf seiner Trompete improvisierte, wie sich Aneel Soomary auf der Piccolotrompete in den hohen Regionen produzierte oder wie der legendäre Bassposaunist Gerald Pöttinger spielte. Und nicht zu vergessen der Vorarlberger Jürgen Ellensohn, Professor in Würzburg, der die meisten Trompetensoli lieferte. Ein düsterer, aber eindrucksvoller Abend, der wohl niemand kalt ließ, auch wegen der Aktualität des Themas.

Ulrike Längle