Kultur in Lebensgefahr!

Kommentar von Walter Fink.
Bregenz Schön langsam lichten sich die Nebel bei den Regierungsverhandlungen in Wien und es beginnt sich zu klären, wer sich welche Ressorts sichern will. Vor allem gilt das für die FPÖ. Der sich schon als „Volkskanzler“ sehende Herbert Kickl lässt dem möglichen Koalitionspartner Volkspartei überbringen, was er sich wünscht. Nein, deutlicher: Was für ihn schon ausgemachte Sache ist. Das ist immerhin das Finanzministerium und das Innenministerium – und natürlich das Bundeskanzleramt. Doch damit nicht genug, im Bundeskanzleramt, also bei sich selbst, will Kickl auch die Medien-, Kultur- und Europaagenden ansiedeln. Natürlich würden für die einzelnen Bereiche Staatssekretäre eingerichtet, aber wir wissen ja, diese Sekretäre sind tatsächlich Sekretäre, nämlich dem Kanzler weisungsgebunden. So wäre Kickl auch der Herr über Kunst und Kultur, ebenso würde die Wissenschaft auf FPÖ-Kurs gebracht.
Der erste Aufschrei kommt aus der Wissenschaft. Mehr als tausend österreichische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler melden sich in einem offenen Brief an die Parteien zu Wort. Sie warnen vor einer FPÖ-geführten Regierung und fordern die Einhaltung „demokratischer Werte, Menschenrechte sowie Freiheit von Forschung und Lehre“. Wörtlich heißt es: „Es bahnen sich, so hören wir, deutschtümelnde Forderungen nach der Germanisierung der Terminologie und wissenschaftlicher Abschlussarbeiten an – was den Wissenschaftsstandort Österreich international enorm schwächen würde.“ Aus diesen Gründen „wende man sich gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ“, meinen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Schon früher hatten die sechs Kunstuniversitäten ein „Memorandum“ an die Öffentlichkeit gerichtet. Darin heißt es: „Zu befürchten ist nicht nur eine negative politische Einflussnahme auf die Freiheit und Diversität wissenschaftlicher und künstlerischer Forschung, Methoden und Erkenntnisse. Zunehmend polemische, wissenschaftlich widerlegbare öffentliche Behauptungen politischer Verantwortungsträger*innen, die sich wissenschafts- und kunstfeindlich positionierten, untergraben einen sachlich-rationalen öffentlichen Diskurs.“
Nicht viel anders klingt es aus den Reihen von Kunst und Kultur: 150 Kunst- und Kulturschaffende haben einen von Gerhard Ruiss, Geschäftsführer IG Autorinnen Autoren, initiierten offenen Brief an die ÖVP unterzeichnet, darunter Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, die Schriftstellerinnen Monika Helfer und Eva Menasse, der Musiker Reinhold Bilgeri, die Schauspielerin Erika Pluhar und Cornelius Obonya. Die FPÖ zerstöre das größte Kapital, das Österreich habe, nämlich das Ansehen als Kunst- und Kulturland: „Gegenwarts-Kunst und -Kultur tauchen in den Programmen der FPÖ nicht auf, und wenn, auf der Abschussliste, Qualitätsmedien sind für sie Medien, die die Inhalte der FPÖ verbreiten. Die FPÖ ist an einer Ein-Parteien-Diktatur interessiert, an sonst nichts.“ Da droht ganz offensichtlich Lebensgefahr für Kunst, Kultur und Wissenschaft.
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.