Walter Fink

Kommentar

Walter Fink

Kommentar: Ehrungen aberkennen

Kultur / 05.09.2025 • 12:59 Uhr

In den Buch „Rankweil 1938-1945 – Eine Gemeinde im Nationalsozialismus“ von Meinrad Pichler ist auf Seite 160 zu lesen: „Die Aussonderung der Bücher jüdischer Autorinnen und Autoren und spätere Vernichtung der jüdischen Menschen waren ihr kein Problem, da sie schon früh ‚einen fanatischen Hass gegen die Juden‘ pflegte, wie ihre Schwester später festhielt.“ Die Rede ist von Natalie Beer, der im Vorarlberg der Nachkriegszeit und in der ganzen zweiten Hälfte der 20. Jahrhunderts hochgehaltenen, geradezu als „Dichterfürstin“ gefeierten Autorin, die als bisher einzige Künstlerpersönlichkeit des Landes eine Lebensrente des Landes für ihre literarischen Leistungen erhielt. Betreiber dieser Auszeichnungen – sie erhielt auch das „Silberne Ehrenzeichen des Landes Vorarlberg“ im Jahre 1975 – war der damalige Landeshauptmann und Kulturreferent Herbert Keßler, ein glühender Verehrer der Dichterin aus Rankweil. Dieser Sonderstellung und Bevorzugung gegenüber anderen Künstlern tat auch keinen Abbruch, dass Natalie Beer in einem Rundfunk-Interview mit Michael Köhlmeier im Jahre 1983 ihre anhaltende Gesinnungstreue zum Nationalsozialismus erklärte: „Und jene, die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zum Kreuz gekrochen sind, sehe ich als lauter Verräter an und lauter Leute, die einfach keinen Charakter hatten.“ Unverbrüchlich hielt sie der NS-Ideologie die Treue – bis zu ihrem Tod 1987.

Die Marktgemeinde Rankweil hat Natalie Beer den ihr 1978 zuerkannten „Ehrenring“ 2021 aberkannt – allerdings ohne rechtliche Grundlage, denn in Vorarlberg ist eine solche Aberkennung aufgrund der Gesetzeslage nach dem Tod schlicht nicht möglich. Deshalb hat der Franz-Michael-Felder-Verein sich von der 1983 verliehenen Felder-Medaille an Natalie Beer 2022 nur distanziert.

Nun fordert der grüne Abgeordnete Bernie Weber in einem Antrag die Landesregierung auf, „das Auszeichnungs- und Gratulationsgesetz dahingehend zu ergänzen, dass nach dem Ableben ausgezeichneter Personen die Auszeichnung aberkannt werden kann, wenn später Tatsachen bekannt werden, die einer Verleihung entgegengestanden wären“. Es wäre höchste Zeit zu einem solchen Schritt, denn Vorarlberg steht mit seiner Haltung ziemlich alleine da. So heißt es etwa im Bundesgesetz für die Verleihung von Ehrenzeichen in § 21, Absatz 2/2, dass Ehrenzeichen aberkannt werden können, wenn der oder die Ausgezeichnete „eine führende Rolle in der NSDAP (…) oder in der Verwaltung des nationalsozialistischen Regimes innehatte“.

Was der Bund kann, sollte Vorarlberg auch können. Es wäre deshalb hoch an der Zeit, dass das Land hier eine Gesetzesänderung vornimmt, wie Bernie Weber schreibt: „Das Land trägt eine historische Verantwortung. Es darf keine Ehrungen für Personen geben, die das menschenverachtende NS-Regime unterstützt haben.“ Und wenn es Ehrungen gegeben hat, dann sind sie eben auch posthum abzuerkennen. Das gilt für das Land, das gilt für Gemeinden, das gilt für Vereine. Aber: Zuerst muss das Land die gesetzlichen Grundlagen schaffen. Alles andere wäre eine Schande.

Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.