Buonasera, Bregenz: Nil Venditti und das Spiel der Kontraste

Kultur / 23.03.2025 • 14:28 Uhr
Bregenzer Meisterkonzerte Stuttgarter Kammerorchester
Das Stuttgarter Kammerorchester unter der Leitung von Nil Venditti überzeugte durch strukturelle Klarheit, klangliche Präzision und hohe Präsenz. udo mittelberger

Fazıl Say, Mozart, Mendelssohn und Bartók im Bregenzer Festspielhaus.

Bregenz Am Freitagabend bot das Bregenzer Festspielhaus im Rahmen der „Bregenzer Meisterkonzerte“ ein Programm, das klassische und zeitgenössische Werke in einer zeitgemäßen Lesart präsentierte und in mehrfacher Hinsicht überzeugte. Die Darbietungen zeichneten sich durch eine ausgewogene Verbindung von technischer Präzision und gestalterischer Ausdruckskraft aus.

Bregenzer Meisterkonzerte Stuttgarter Kammerorchester
Sayaka Shoji überzeugte mit leuchtendem Klangprofil, präzisem Bogenstrich und differenzierter Phrasierung. udo mittelberger

Unter den temperamentvollen Dirigentinnen und Dirigenten, die Bregenz bisher erlebt hat, zählt Nil Venditti (*1994) zweifellos zu den energisch präsenten. Die junge Italienerin gestaltet mit körperlicher Präsenz und lebendiger Gestik, ohne je ins demonstrativ Expressive zu kippen. Ihre Energie überträgt sich unmittelbar auf das Spiel des Orchesters – sei es in den gestischen Impulsen bei Say, sei es in der kontrollierten Zurücknahme bei Mendelssohn.

Bregenzer Meisterkonzerte Stuttgarter Kammerorchester
Mit Werken von Say, Mendelssohn, Mozart und Bartók stellte das „Bregenzer Meisterkonzert“ ein Programm vor, das stilistisch unterschiedliche Positionen klug miteinander verband. udo mittelberger

Den Auftakt und zugleich ein erstes musikalisches Ausrufezeichen bildete Fazıl Says „Chamber Symphony“ op. 62, deren rhythmische Struktur und farblich vielgestaltige Orchestrierung die Aufmerksamkeit unmittelbar auf sich zog. Die Dirigentin – mit entschiedener Körpersprache und prägnanter Zeichengebung – modellierte die orientalisch inspirierten Passagen mit klarer Plastizität. In einem stets kontrollierten Spannungsbogen führte sie das Orchester zu einer differenzierten Klangentfaltung, in der jede instrumentale Geste klar konturiert blieb.

Bregenzer Meisterkonzerte Stuttgarter Kammerorchester

Wegen einer kurzen Verzögerung in der Abstimmung mit der Solistin wurde Mendelssohns Sinfonia X in h-Moll kurzerhand vorgezogen. Dirigentin und Orchester reagierten mit bemerkenswerter Flexibilität. Das Frühwerk des 14-jährigen Mendelssohn, das sich durch eine klare kontrapunktische Anlage und erstaunliche kompositorische Reife auszeichnet, wurde mit Leichtigkeit und dramaturgischem Gespür umgesetzt. Das Ensemble agierte mit technischer Souveränität und fand zugleich zu einer stilistisch überzeugenden Lesart der romantischen Ausdrucksmittel.

Bregenzer Meisterkonzerte Stuttgarter Kammerorchester

Im Mittelpunkt des Abends stand Mozarts Violinkonzert Nr. 5 in A-Dur, KV 219. Die Solistin Sayaka Shoji überzeugte mit leuchtendem Klangprofil, präzisem Bogenstrich und differenzierter Phrasierung, die sowohl die kantablen Momente als auch die virtuosen Passagen des Werkes schlüssig miteinander verband. Besonders im Finalsatz mit seinen Anklängen an türkische Musik entwickelte sie eine dynamisch ausgehörte Interpretation, die sich durch die Balance zwischen Eleganz und kontrollierter Intensität auszeichnete. Eine Zugabe – Niccolò Paganinis „Nel cor più non mi sento“ – bildete einen klanglich fein abgestimmten Abschluss ihrer Darbietung.

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Das Stuttgarter Kammerorchester trug wesentlich zum musikalischen Gelingen bei. Sowohl im Zusammenspiel mit der Solistin als auch in den rein orchestralen Passagen bewies das Ensemble ein feines Gespür für klangliche Transparenz und kammermusikalische Geschlossenheit. Unter Vendittis Leitung entstand ein homogenes Klangbild, das sowohl groß angelegte Entwicklungen als auch präzise Detailarbeit zuließ. Das Zusammenspiel war geprägt von sorgfältig ausbalancierter Dynamik und klarer Kommunikation innerhalb der Gruppen.

Bregenzer Meisterkonzerte Stuttgarter Kammerorchester

Nach der Pause stand Bartóks „Divertimento für Streichorchester“ auf dem Programm. Der strukturreiche Satzaufbau und die Verbindung folkloristischer Elemente mit moderner Formbehandlung wurden vom Orchester mit rhythmischer Schärfe und innerer Stringenz umgesetzt. Vor allem im Mittelsatz, der eine deutlich verdichtete Grundstimmung entfaltet, gelang es den Musikerinnen und Musikern, die expressive Konzentration der Partitur präzise auszuleuchten. Das abschließende Presto geriet zu einem energischen Finale, das den Abend klanglich pointiert beschloss.