Zwischen Bürgerstolz und Bühnenwitz

Richard Wagners ‚Die Meistersinger‘ als herrliche Sommerrevue auf dem grünen Hügel.
Bayreuth Die Premiere von Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ bei den Bayreuther Festspielen 2025 unter der musikalischen Leitung von Daniele Gatti und der Regie von Matthias Davids präsentierte sich als humorvoller, zugleich liebenswürdig traditioneller und innovativ leichter Opernabend, der das Publikum auf charmante Weise begeisterte.

Schon die erste Szene bestach durch Andrew D. Edwards’ einprägsames Bühnenbild: Die imposante Nürnberger Katharinenkirche, auf einer steilen, perspektivisch gestalteten Treppe platziert, symbolisierte die soziale Hierarchie und die Verflechtungen innerhalb der Meistergesellschaft auf eindrucksvolle Weise. Diese visuelle Klarheit zog sich konsequent durch die Inszenierung und erzeugte gemeinsam mit den originellen, historisch-verspielten Kostümen von Susanne Hubrich ein lebendiges Spannungsfeld zwischen traditionellen und modernen Elementen.

Unter der Regie von Matthias Davids gerieten „Die Meistersinger“ zur sommerlich leichten Revue – heiter, temporeich und getragen von szenischer Spielfreude, ohne dabei die feinen gesellschaftlichen und philosophischen Zwischentöne des Werks gänzlich zu vernachlässigen. Mit sicherem Gespür für Rhythmus und Timing formte Davids Szenen, die mit Witz und Leichtigkeit den dramatischen Fluss beförderten. Wesentlichen Anteil daran hatten seine präzise Personenführung und die energiegeladenen, fließend ineinandergreifenden Choreografien von Simon Eichenberger, durch die gerade die Ensembleszenen zu schillernden Tableaus aus Bewegung und Humor wurden. Für eben jene theatral pointierte Leichtgängigkeit hat Festspielintendantin Katharina Wagner den Linzer Musicalexperten eingeladen, sich Wagners einziger Komödie anzunehmen. Davids steht für die Hoffnung, diesem ebenso komplexen wie wunderlichen Werk mit unvoreingenommener Neugier und frischer Regiehandschrift zu begegnen.

Georg Zeppenfeld beeindruckte als Hans Sachs mit einer nuancierten Interpretation, die die Figur angenehm neu positionierte. Sein Sachs war kein altväterlicher Lehrmeister, sondern ein intellektuell fragiler, humorvoll-charmanter Charakter, der in seiner reflektierten Wärme überzeugend menschlich wirkte. Stimmlich glänzte Zeppenfeld mit einer souveränen Bassführung, die sowohl lyrische Feinheiten als auch dramatische Präsenz überzeugend auslotete.

Michael Spyres brillierte als Walther von Stolzing mit einem warmen, lyrischen Tenor, der kraftvoll und zugleich empfindsam romantische Momente hervorzubringen vermochte. Seine Darstellung spiegelte glaubwürdig die Entwicklung Stolzings wider: Der Außenseiter kämpft um Anerkennung und Liebe, bleibt dabei aber stets sympathisch und authentisch.

Christina Nilsson überzeugte als Eva durch ihre natürliche Bühnenpräsenz und eine klare, strahlende Sopranstimme. Damit machte sie ihre Figur glaubwürdig und emotional greifbar. Nilsson verlieh Eva eine bezaubernde Leichtigkeit, die die romantischen wie humorvollen Aspekte ihrer Rolle subtil betonte.

Eine besondere Leistung erbrachte Michael Nagy in der Rolle des Sixtus Beckmesser. In dieser Inszenierung wurde Beckmesser erfreulich differenziert angelegt: Er war nicht bloß eine komische Nebenfigur, sondern eine Figur mit Tiefgang und ernst zu nehmenden Gefühlen. Nagys musikalisches Timing, seine exzellente stimmliche Gestaltung und seine schauspielerische Vielseitigkeit sorgten dafür, dass Beckmesser eine Figur war, die gleichermaßen belächelt und bemitleidet werden konnte, ohne an Glaubwürdigkeit einzubüßen.

Das Festwiesenbild des dritten Akts mündete in eine heitere, stellenweise ins Satirische übersteigerte Zuspitzung der Opernhandlung: Zahlreiche popkulturelle Anspielungen durchzogen das Geschehen und boten dem Publikum reichlich Anlass zum Schmunzeln. Mitunter allerdings geriet dabei die Balance zwischen tieferer Aussage und spielerischer Brechung ins Wanken. Doch selbst in diesen Momenten bewahrte die Inszenierung ihren Charme – getragen von einer Leichtigkeit, die nie bloß gefällig wirkte, sondern in ihrer liebenswürdigen Unbeschwertheit mit sanfter Ironie einlud, Wagner neu zu entdecken.

Daniele Gatti führte das Bayreuther Festspielorchester durch eine farbenreiche, energiegeladene Interpretation von Wagners opulenter Partitur. Wenngleich das Orchester gelegentlich dazu neigte, die Sänger mit übermäßiger Lautstärke zu überdecken, gelang es Gatti doch insgesamt, die musikalische Vielschichtigkeit und Lebendigkeit eindrucksvoll herauszuarbeiten.

Die Bayreuther Premiere wurde vom Publikum mit großem Enthusiasmus aufgenommen. Der anhaltende und begeisterte Applaus war eine deutliche Anerkennung dafür, wie diese Inszenierung einen gelungenen Spagat zwischen Tradition und zeitgemäßem Unterhaltungswert bewältigte. Matthias Davids’ „Meistersinger“ boten humorvolle, musikalisch überzeugende und szenisch einfallsreiche Unterhaltung.