Handeln im Einklang mit der Natur

Auftakt zu den “Tagen der Utopie” in Götzis: Natalie Knapp fordert neues Denken.
Götzis Die Tage der Utopie setzen bewusst auf eine positive Perspektive: weg von Problembeschreibungen, hin zu Lösungen, Inspiration und Kooperation. Ziel ist es nicht, sofort umsetzbare Rezepte zu präsentieren, sondern utopische Zukunftsbilder zu entwickeln, die Mut machen und Orientierung geben. Besonderer Wert wird auf internationale Impulse gelegt, die mit regionalen Projekten verknüpft werden. Eine zentrale Rolle spielt auch die Musik, die nicht als bloße Umrahmung eingesetzt, sondern als kreative Resonanz auf die Vorträge live komponiert und aufgeführt wird.

Bei der Auftaktveranstaltung am Sonntagvormittag in der Kulturbühne AmBach in Götzis widmete sich die Philosophin Natalie Knapp in ihrem Vortrag der Frage „Warum wissen wir so vieles und tun so wenig?“. Den meisten Menschen sei es nicht egal, wie sich der Planet entwickelt, so Knapp, dennoch gebe es eine unsichtbare Mauer zwischen Wissen und Handeln. Sie vergleicht diese Distanz mit Beziehungskrisen und schlägt eine „Paartherapie“ zwischen Mensch und Erde vor. Diese Therapie besteht aus zwei Schritten: Zuerst die Selbsterkenntnis, also das Verstehen, warum wir die Erde so wahrnehmen, wie wir sie wahrnehmen, dann die Welterkenntnis, in der wir lernen, die Stimme der Erde zu hören und zu verstehen.

Knapp kritisiert dabei das westliche Denken, das stark von vier kulturellen Grundannahmen geprägt ist: Erstens existiert nur, was messbar ist; zweitens gibt es für jedes Ereignis eine klare Ursache; drittens strebt alles nach einem Idealzustand (Fortschrittsgedanke); und viertens ist die Welt ein Baukasten aus einzelnen Teilen. Diese Denkweise hat zwar viele Errungenschaften ermöglicht, stößt aber zunehmend an Grenzen, weil sie komplexe Zusammenhänge und Wechselwirkungen in der Natur nicht erfassen kann.

In anderen, vor allem indigenen Kulturen, sei das Verständnis der Welt als lebendiges, vernetztes Ganzes weit verbreitet. Knapp erzählt von Begegnungen und Erkenntnissen, die ihr geholfen haben, diese Perspektiven einzunehmen: Zum Beispiel Steine nicht als bloßes Material, sondern als Urwesen zu sehen oder Tiere als Wesen mit komplexen emotionalen und sozialen Bindungen wahrzunehmen. Sie schlägt vor, den Planeten Erde selbst als ein denkendes Lebewesen zu begreifen, das durch das Zusammenwirken aller seiner Teile – Mikroorganismen, Pflanzen, Tiere und Menschen – denkt und handelt.

Die aktuelle Umweltkrise interpretiert Knapp daher nicht nur als technisches Problem, sondern vor allem als ein großes Nachbarschaftsproblem zwischen dem Menschen und allen anderen Spezies. Die Lösung liege darin, diese Nachbarschaft wieder lebendig zu machen, auf die Sprache der Erde zu hören und ihre unterschiedlichen Intelligenzen anzuerkennen. Das bedeute, sich wieder als Teil eines umfassenden Netzwerkes des Lebens zu begreifen und diese Beziehungen aktiv zu pflegen.

Ein zentraler Schritt zu diesem neuen Denken sei es, nicht mehr nur kognitiv, sondern auch körperlich wahrzunehmen, sich von der Natur und ihren Elementen emotional berühren zu lassen. Durch diese Erfahrung könne ein kollektives Bewusstsein entstehen, das die Menschheit und den Planeten heilt. Natalie Knapp ruft dazu auf, diese andere Art des Denkens und Wahrnehmens zuzulassen, um einen wirklichen Wandel herbeizuführen und die Zukunft gemeinsam aktiv zu gestalten.
Am Mittwoch entwirft Transformationsexpertin Stella Schaller unter dem Titel „Besuch aus dem Jahr 2045“ Zukunftsbilder einer gelingenden sozial-ökologischen Transformation – begleitet von der fiktiven Zeitreisenden Liliane Morgenthau. Am Donnerstag zeigt Biobauer Alfred Grand in seinem Vortrag „Mein Garten ernährt die Welt“, wie gesunde Böden die Grundlage für gesunde Ernährung und nachhaltige Landwirtschaft bilden.