Ein Quilt als Chronik kolonialer Verflechtungen

Textilausstellung im vorarlberg museum beleuchtet dunkle Kapitel der Textilgeschichte
Bregenz Ein riesiger, kreisförmig aufgehängter Quilt mit einem Durchmesser von 16 Metern füllt derzeit das Atrium des vorarlberg museums in Bregenz. Das imposante textile Kunstwerk ist nicht nur ein optisches Highlight, sondern auch ein vielschichtiges Forschungsinstrument. Es bildet das Zentrum der neuen Ausstellung „Òwú. Fil. Faden. Faden.“, die am Freitag, den 25. April eröffnet wurde.

Entworfen wurde der Quilt von Studierenden der Akademie der bildenden Künste Wien. Die Ausstellung setzt sich mit den historischen und aktuellen Verflechtungen von Textilindustrie und Kolonialismus auseinander – ein Thema, das zunehmend ins öffentliche Bewusstsein rückt und auch Vorarlberg nicht unberührt lässt. Denn wie jüngste Forschungen zeigen, profitierten auch Unternehmen und Einzelpersonen aus der Region einst direkt vom Kolonialhandel – insbesondere vom Sklavenhandel.

Ein Beispiel: Die Feldkircher Unternehmer Joseph und Ludwig Ganahl wurden 1828 im US-Bundesstaat Georgia eingebürgert und betrieben dort eine Baumwollplantage – basierend auf der Arbeit versklavter Menschen. Bereits zwei Jahrhunderte zuvor waren der St. Galler Kaufmann Hieronymus Sailer und der Konstanzer Ulrich Ehinger in den transatlantischen Sklavenhandel verwickelt. Tausende Menschen aus Westafrika wurden damals mit ihrer Hilfe verschleppt.

Diese Geschichten sind in den Quilt eingewoben – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Künstlerinnen und Künstler Anette Baldauf, Milou Gabriel, Sasha Huber, Janine Jembere, Susanna Delali Nuwordu, Abiona Esther Ojo, Anabel Rodriguez, Jumoke Sanwo, Mariama Sow und Katharina Weingartner arbeiteten mit verschiedenen Techniken wie Weben, Sticken, Stanzen, Häkeln und Färben. Jedes einzelne Fragment erzählt von Ausbeutung, Gewalt, kolonialen Handelswegen, aber auch von Widerstand, Erinnerung und der reichen Tradition afrikanischer Textilherstellung. Materialien wie Baumwolle, Leinen und Damast werden so zu Trägern von Geschichte, Zeugnissen von Macht und kultureller Identität.

Die Ausstellung ist eine Kooperation des vorarlberg museums mit der Akademie der bildenden Künste Wien und dem Stadtmuseum Dornbirn. Neben dem Quilt wird ein vielfältiges Rahmenprogramm geboten: So findet am Freitag, 16. Mai, die Gesprächsrunde „Freitags um 5 – Landesgeschichte im Gespräch“ statt, bei der die Historikerin Nicole Stadelmann über den wenig bekannten Anteil heimischer Kaufleute am Sklavenhandel referiert.

Am Mittwoch, 25. Juni, folgt eine dialogische Führung durch die Ausstellung. Dabei kommt unter anderem die Filmemacherin Katharina Weingartner zu Wort, die in ihrem Dokumentarfilm „Stoff/Lace Relation“ der textilen Verbindung zwischen Nigeria und Österreich nachgeht. Für den Herbst ist das partizipative Forschungsprojekt „Fäden“ geplant, das im Stadtmuseum Dornbirn den Spuren des lukrativen Baumwollhandels nachgeht.

Die Kunstform Quilt hat eine lange Geschichte. Vor allem in den USA und in Europa hat sich das Quilten nicht nur als Kunsthandwerk, sondern auch als Medium des kulturellen Gedächtnisses entwickelt. In dieser Ausstellung wird das Zusammennähen von Stoffschichten zu einer Methode der kollektiven Auseinandersetzung – mit der Vergangenheit, aber auch mit Zukunftsperspektiven jenseits kolonialer Ordnungen.
Òwú. Fil. Faden. Faden. macht sichtbar, was oft verdrängt wird – und nutzt Textilkunst, um zu erinnern, zu heilen und neue Fäden zu knüpfen. Die Ausstellung ist bis Herbst 2025 im vorarlberg museum zu sehen.