Kochende Säle, glühende Sohlen

Kultur / 06.05.2025 • 15:45 Uhr
tangofestival
Beim sechsten Festival für Tango-Musik in Innsbruck spielten einundzwanzig Ensembles. GaZ BLANCO

Fantastisches Tango-Musik-Festival La Locura in Innsbruck


Innsbruck Locura bedeutet Wahnsinn. Und es war tatsächlich der Wahnsinn, dieses bereits sechste Festival für Tango-Musik im Haus der Musik in Innsbruck, wo sich vom 1. – 4. Mai einundzwanzig Tango-Ensembles und täglich rund fünfhundert Gäste einfanden. Joachim Tschütscher, der Gründer und Organisator, hat hier einen einzigartigen Treffpunkt geschaffen: Tangofestivals mit Tanzworkshops, auf denen zu Live-Musik getanzt wird, gibt es viele. In Innsbruck aber versammeln sich alljährlich die besten Tango-Ensembles verschiedenster Stilrichtungen aus Argentinien und Europa. Im Mittelpunkt steht die Musik: Im Kleinen Saal gibt es jeden Nachmittag zwei Konzerte ohne Tanz, zu den Konzerten im Großen Saal darf getanzt werden. Die außergewöhnliche stilistische Vielfalt und das Spitzenniveau der Ensembles machen La Locura zu einem europaweit herausragenden Event.

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GaZ BLANCO

Unter den VIPs der Tango-Szene im Kleinen Saal konnte man z. B. das Tangostreichquartett des legendären Violinisten Leonardo Ferreyra erleben oder die Komponistin, Pianistin und Sängerin Noelia Sinkunas, Shooting-Star der neuen Tango-Szene, die mit einer experimentellen Fusion aus Tango, Chamamé und Jazz besticht. Mit ihrem Quartett riss sie auch den Großen Saal zu Begeisterungsstürmen hin. Das Trio Roberta Roman (Bandoneòn, Cello, Gitarre) punktete mit Tango Nuevo, Roman arbeitete mit dem Projekt „Opération Sultan“ auch die Zerstörung des Altstadtquartiers Saint-Jean in Marseille, in dem auch viele neapolitanische Auswanderer lebten, durch die Deutsche Wehrmacht 1943 auf. Einer der vielen Höhepunkte war das Konzert des Pianisten, Komponisten und Arrangeurs Cristian Zárate mit verschiedenen Partnern, der auch Teil des legendären Quinteto Revolucionario ist. Es ist dies die einzige Formation, die von der Witwe des großen Erneuerers Astor Piazzolla offiziell autorisiert ist, den Tango Nuevo fortzuführen und weiterzuentwickeln. Das energiegeladene Konzert am Samstagabend brachte den vollbestuhlten Großen Saal zum Kochen, nicht zuletzt durch das virtuose Spiel des jungen, derzeit gefragtesten Bandeonisten Joaquín Benítez Kitegorski, der auch noch in anderen Formationen zu hören war, z. B. im Quartett der charismatischen Cellistin Claudia Sereni im Kleinen Saal.

Einen weiteren Höhepunkt bescherte das Orquesta Misteriosa de Buenos Aires, das die Tradition der klassischen Tanzorchester der Vierzigerjahre fortführt und mit unverwechselbarem Sound (drei Bandoneons, drei Violinen, Bass, Piano) und der fantastischen Sängerin Eliana Sosa Tangos und Milongas spielte. Eine Weltpremiere war der Auftritt des extra für La Locura gegründeten und mit Standing Ovations bedachten Ensembles Comuna 12, mit Stars aus diversen anderen Gruppen, das die charakteristische Mischung des Tango aus leidenschaftlichem Ausdruck und strengem rhythmischem Korsett mit entfesselter Disziplin über die Rampe brachte. Klassische Tangos mit Perkussionselementen argentinischer Straßenkapellen kombiniert das spanische Ensemble Pa’l Pulchero, die belgische Formation Zinnetango spielte auch Jacques Brel. Das Schlusskonzert bestritt das Quinteto Galván, das auch Folklore einbaute und sich schließlich zu einem All-Stars-Ensemble erweiterte.
Alle Teilnehmer können hier nicht angeführt werden. Es war ein Festival von beispielloser Vielfalt und Intensität, bei dem sich das enthusiastische Publikum und die fantastischen Musiker gegenseitig zu Höchstleistungen anspornten.

Ulrike Längle