Wie Ideen Flügel wachsen

“Und kommen muss zum heilgen Ort das Wilde” in der Pforte.
Feldkirch Der Donnerstagabend im Pförtnerhaus Feldkirch stand unter einem ebenso poetischen wie verheißungsvollen Motto: „Und kommen muss zum heilgen Ort das Wilde – Wie Ideen Flügel wachsen“. Der Titel versprach ein Programm von künstlerischem Wagemut und visionärem Geist – ein Versprechen, das die fünf Musiker mit beeindruckender Intensität einlösten. Auf dem Programm standen drei Werke, die einen Bogen über zwei Jahrhunderte Musikgeschichte spannten.
Gleich zu Beginn eröffnete Joseph Haydn mit seinem Streichquartett C-Dur op. 54 Nr. 2 ein formales und gefühlvolles Kraftfeld. Das Werk, das sich durch kühne harmonische Wendungen, rhythmische Raffinesse und einen abrupten, fast modern anmutenden Schluss auszeichnet, wurde von Berit Cardas (Violine), Raul Campos (Violine), Klaus Christa (Viola) und Mar Gimferrer (Violoncello) mit der nötigen Mischung aus Eleganz und spielerischer Frechheit interpretiert. Besonders der Finalsatz, der mit einer Generalpause in der Schwebe endet, geriet in dieser Aufführung nicht zur Kuriosität, sondern zum inspirierten Innehalten – ein offenes Fragezeichen, das das Publikum atemlos zurückließ.

Mit dem zweiten Werk des Abends wurde das Motto des Konzerts besonders greifbar: Mary Dickenson-Auners Klarinettenquintett ist ein Juwel der frühen Moderne, voller klanglicher Feinheiten. Die irisch-österreichische Komponistin verstand es meisterhaft, die Klarinette nicht nur als lyrisches Zentrum, sondern als integralen Bestandteil eines schillernden Klanggewebes einzusetzen. Kenichi Kawabata an der Klarinette überzeugte mit warmem Ton und lyrischer Noblesse, die sich nahtlos in das Spiel des Streichquartetts einfügten. Fast impressionistisch schwebte der langsame Satz durch den Raum, während rhythmisch pointierte Passagen im Finale tänzerische Lebendigkeit entfalteten. Diese Entdeckung war nicht nur ein programmatischer, sondern auch ein musikalischer Höhepunkt des Abends – ein klares Plädoyer für die Wiederbelebung vergessener Komponistinnen.
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Den Abschluss bildete Ludwig van Beethovens Streichquartett F-Dur op. 18 Nr. 1, das in dieser Interpretation eine Brücke zwischen klassischer Formstrenge und romantischem Ausdruckswillen schlug. Der erste Satz war von kraftvoller Energie geprägt, der zweite – ein tief empfundener Adagio-Satz in d-Moll – wurde mit jener dramatischen Dichte gespielt, die Beethovens Musik so einzigartig macht. Besonders hervorzuheben ist hier das sensible Zusammenspiel der vier Streicher, das sowohl in den zarten Phrasierungen als auch in den eruptiven Ausbrüchen stets organisch wirkte. Temperamentvoll war das Scherzo, und der Schlusssatz versöhnte Virtuosität mit tänzerischer Leichtigkeit und Tiefgang.

Alles in allem ein Konzert, das seinem Motto gerecht wurde: Es zeigte, wie das Wilde – das Neue, Ungezähmte, Visionäre – durch konzentrierte musikalische Gestaltung seinen Weg zum „heiligen Ort“ des künstlerischen Ausdrucks finden kann. Die Musiker überzeugten mit klarem interpretatorischem Konzept, klanglicher Differenziertheit und spürbarer Freude am Dialog mit den Werken und dem Publikum. Ein Abend voller Ideen – mit Flügeln.