Dramatik, Gefühl, Leidenschaft

Von Beethovens Freiheitsruf über Tabakovas Akkordeonzauber bis zu den Bildern einer Ausstellung.
Dornbirn Am Montag, dem 19. Mai, beendete das Festival „Dornbirn Klassik“ seine Saison mit einem glanzvollen Konzert im Kulturhaus Dornbirn. Die Stuttgarter Philharmoniker unter der Leitung von Michal Nesterowicz erwiesen sich dabei als erstklassiger Klangkörper, der das Publikum mit Präzision und Musizierlust begeisterte.
Den Auftakt bildete Ludwig van Beethovens bekannte „Egmont“-Ouvertüre op. 84: Bereits der erste gewaltige Akkord in f-Moll, gespielt von den tiefen Streichern und Hörnern, etablierte eine Atmosphäre schwerer Dramatik, bevor das Orchester in einer kraftvollen Allegro-Passage die Widerstandskraft und den inneren Konflikt Egmonts zum Ausdruck brachte. Souverän führte Michal Nesterowicz seine Musiker durch die sonatenhafte Struktur, wobei das Zusammenspiel von düsteren Bassfiguren und heroischen Blechbläsern perfekt aufeinander abgestimmt war. Der triumphale Schluss in F-Dur ließ die Freiheitssymbolik Beethovens in vollem Glanz erstrahlen.

Mit dem Akkordeonkonzert „Freiheit“ von Dobrinka Tabakova, ein Kompositionsauftrag des Bodenseefestivals, der Stuttgarter Philharmoniker, Sofia Philharmonic und Dzintaru koncertzäle wurde den Zuhörern ein zeitgenössisches Werk präsentiert, das erstmals in Österreich zu hören war. Die lettische Solistin Ksenija Sidorova trat in den Mittelpunkt, begleitet von den Philharmonikern, und offenbarte ihr großes musikalisches Verständnis. Ermutigt durch ihre Großmutter, lernte Sidorova im Alter von acht Jahren in ihrer Heimatstadt Riga Akkordeon spielen. Nach einem erfolgreichen Studium führte ihre Suche nach mehr Engagements in klassischen und zeitgenössischen Repertoires sie nach London. Von dort aus startete sie ihre internationale Karriere.
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Der dramatische erste Satz entfaltete sich in dunklen Klangfarben, in denen vor allem die Tubas und Posaunen bedrohliche Akzente setzten. Im zweiten Satz wechselte die Stimmung zu filigraner Zerbrechlichkeit: Sidorovas Akkordeon hauchte jeder Note inniges Gefühl ein und ihre Phrasierung ließ den Raum vor Rührung erzittern. Der dritte Satz begann mit einer an bulgarische Volkslieder erinnernden Melodie, die sich allmählich in ein leidenschaftliches Crescendo steigerte. Sidorovas temperamentvoller Vortrag, gepaart mit der energiegeladenen Artikulation der Philharmoniker, machte diesen Satz zu einem leidenschaftlichen Höhepunkt. Als Zugabe folgte eine Melodie von Astor Piazzolla.

Ein weiterer Glanzpunkt des Abends war Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung” in der prachtvollen Orchesterfassung von Maurice Ravel. Insbesondere die Bläsersektion, allen voran die Blechbläser, demonstrierte höchste Klangkunst: Die markanten „Promenaden” verhallten in mächtigen Trompeten- und Posaunensoli, während die impressionistischen Bildszenen mit feinstem Holzbläserspiel und farbenreichen Klangkombinationen zum Leben erwachten. Nesterowicz verstand es, jeden Übergang nuanciert zu gestalten und den dramatischen Bogen des Zyklus’ eindrucksvoll zu zeichnen. Der tosende Applaus und die Bravo-Rufe nach dem „Großen Tor von Kiew” zeugten von der großen Wertschätzung, die das Publikum dieser Interpretation entgegenbrachte.
Die Auswahl von Beethovens heroischer Ouvertüre, Tabakovas neuem Akkordeonkonzert und Mussorgskys programmatischer Suite bot einen spannenden Bogen von klassischer Ausdruckskraft über moderne Klangforschung bis hin zu russischer Farbenpracht. Die Stuttgarter Philharmoniker bewiesen dabei nicht nur technische Brillanz, sondern auch stilistische Vielfalt und Einfühlungsvermögen. Dirigent Michal Nesterowicz leitete sein Orchester mit sicherer Hand und Feingefühl, nahm sich aber zugleich Raum für dramatische Akzente und intime Klangmomente.

Mit diesem Konzert gelang Dornbirn Klassik ein würdiger Schlusspunkt einer erfolgreichen Saison. Schon jetzt darf man gespannt sein auf die nächste Saison.