Das schöpferische Potenzial des Handwerks

Ein Werk der Hand, des Denkens und der Verbindung im werkraum bregenzerwald.
Andelsbuch Am Freitag, den 13. Juni öffnet im werkraum bregenzerwald in Andelsbuch eine Ausstellung ihre Türen, die der leisen, aber umso stärkeren Sprache des Handwerks gewidmet ist: „Unplugged – Die Kraft der Holzverbindungen“. Mit dieser Eröffnung beginnt eine dreijährige Programmreihe, die sich der Nachhaltigkeit, dem schöpferischen Potenzial des Handwerks und dem Dialog zwischen Tradition und Zukunft widmet. Es ist eine Einladung an Handwerker, Architekten, Gestalter und Planer, die alten Prinzipien des Verbindens neu zu denken – ganz ohne Leim, Schrauben oder Strom.

Die Ausstellung rückt eine nahezu vergessene Kulturtechnik in den Mittelpunkt: die rein mechanische Holzverbindung. In einer Zeit, in der industrielle Fertigung und kurzlebige Konsumgüter den Takt angeben, erleben Zinken, Zapfen und Schlitzverbindungen eine bemerkenswerte Renaissance. Sie stehen für handwerkliche Präzision und eine Haltung: Bauen, was hält. Gestalten, was bleibt. Verbinden, was sich lösen lässt, um es zu bewahren oder weiterzugeben.

Der Werkraum Bregenzerwald zeigt eine große Bandbreite solcher Verbindungen – von kleinen Handmustern bis hin zu beeindruckenden 1:1-Modellen aus dem Tischler- und Zimmereihandwerk. In Zusammenarbeit mit dem Studio Cross Scale aus Stuttgart und dem ETH Material Hub Zürich ist eine Schau entstanden, die sowohl ästhetisch als auch didaktisch überzeugt. Über 200 Skizzen und Erklärungen aus dem „Joinery Compendium” bieten ein internationales Panorama der Verbindungstechniken – mit Begriffen auf Deutsch, Englisch und Japanisch.

Hier wird nicht nur geschaut, sondern auch begriffen. Besucher können Handmuster anfassen, die Logik einer Schwalbenschwanzverbindung ertasten und die Präzision eines Gratleisters studieren. Exponate aus der praktischen Anwendung – Möbel, Bauelemente und Konstruktionen – zeigen, wie die Prinzipien der Verbindungen in der Gegenwart weiterleben und neue Formen annehmen. Gleichzeitig versteht sich die Ausstellung als Plattform für das Gespräch. Was bedeutet zirkuläres Bauen im Zeitalter knapper Ressourcen? Wie lassen sich Reparierbarkeit und Rückbaubarkeit denken? Wie lassen sich jahrhundertealte Techniken in zeitgenössisches Design übersetzen?

Cornel Hess, der Geschäftsführer des Werkraums, betont den Gemeinschaftscharakter dieser Ausstellung, die ohne die Mitwirkung der Mitgliedsbetriebe des Werkraums ebenso wenig denkbar wäre wie ohne das internationale Wissen der Wissenschaftler. Die musikalische Umrahmung durch „Sitôklang usom Gruoholz” ist der Auftakt zu einem sinnlichen Gesamterlebnis. Laut Udo Thönnissen (ETH Zürich) liegt die Stärke der Ausstellung in ihrer Rückbesinnung auf das Wesentliche: „In einer Holzverbindung zeigt sich, ob ein Objekt dem Anspruch auf Einfachheit, Reparierbarkeit und Funktionalität gerecht wird.“ Die Verbindung sei kein Beiwerk, sondern Kern der Konstruktion. Die Kuratoren Sascha Bauer und Daniel Pauli vom Studio Cross Scale sehen in der Ausstellung einen Beitrag zur kulturellen Selbstvergewisserung. „Über Jahrhunderte haben sich weltweit spezifische Lösungen für dasselbe Problem entwickelt: Wie verbindet man Holz?“ sagen sie. Die Ausstellung mache diese Vielfalt sichtbar – und werfe zugleich die Frage auf, wie wir mit diesem Wissen Zukunft gestalten wollen.

Seit seiner Eröffnung im Jahr 2013 ist das Werkraum Haus, ein Meisterwerk von Peter Zumthor, ein Ort des lebendigen Handwerks. Was dort entsteht, ist mehr als eine Ausstellung: Es ist ein Nachdenken mit den Händen, ein Weitertragen von Können und Haltung in eine Welt, die beides dringend braucht. Mit „Unplugged – Die Kraft der Holzverbindungen“ gelingt dem Werkraum ein Auftakt, der präzise, poetisch und politisch ist – und uns daran erinnert, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine Frage des Materials, sondern auch eine des Geistes ist, der verbindet.
Austellungseröffnung:
FR, 13. Juni 2025 um 18 Uhr
Öffnungszeiten:
DI–FR: 10–18 Uhr | SA: 10–16 Uhr
SO, MO und Feiertage geschlossen
Öffentliche Führungen:
Mittwochs um 11 Uhr | Donnerstags um 16 Uhr
Führungen durch das Werkraum Depot: jeden ersten Dienstag im Monat um 11 Uhr.
Keine Anmeldung erforderlich.