Vier Elemente, vier Farben, ein Schicksal

Kultur / 13.06.2025 • 12:57 Uhr
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Andreas Kriegenburg wird “Œdipe” im Festspielhaus inszenieren.Bregenzer Festspiele / Lisa Mathis

George Enescus „Œdipe“ eröffnet am 16. Juli die Festspiel-Oper im Haus.

Bregenz Ein ganzes Jahr lang war der Auftakt minutiös vorbereitet worden, nun hat die Arbeit im Hier und Jetzt begonnen: „Nach einem Jahr administrativer Vorbereitungsarbeit beginnen endlich die Proben“, sagte Lilli Paasikivi, neue Intendantin der Bregenzer Festspiele, am Dienstagvormittag bei der Vorstellungsrunde des Opernprojekts „Œdipe“ im Festspielhaus. Mit sichtbarer Freude – und nicht weniger Spannung – traf sich das künstlerische wie technische Team der diesjährigen Hausoper erstmals persönlich in Bregenz.

Paul Gay
Der französische Bassbariton Paul Gay übernimmt die Titelpartie. anja köhler

Im Zentrum: George Enescus monumentale Tragödie „Œdipe“, 1936 in Paris uraufgeführt, in diesem Sommer erstmals in Bregenz zu erleben. Regie führt Andreas Kriegenburg, der dem düsteren Mythos mit klarem Konzept und dramaturgischer Behutsamkeit begegnet. „Froh, aber auch mit einer großen Portion Respekt blicke ich den kommenden Wochen entgegen“, erklärte der Regisseur – und sprach damit wohl aus, was viele dachten. Denn Enescus Werk ist nicht nur musikalisch, sondern auch psychologisch eine Herausforderung: Jeder der vier Akte erzählt eine Etappe des Unheils, das Ödipus – teils ahnungslos, teils gezeichnet vom Fluch – über sich selbst und seine Familie bringt.

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v.l.n.r.: Andreas Grüter (Licht), Hannu Lintu (Dirigent), Harald B. Thor (Bühne), Tanja Hofmann (Kostüm), Andreas Kriegenburg (Regie). Bregenzer Festspiele / Lisa Mathis

Kriegenburg vermeidet plakative Aktualisierungen. „Wir schauen uns das mit Distanz an“, sagt er, „wir wollen den Stoff bewusst nicht in unsere Zeit bringen.“ Stattdessen vertraut er auf eine symbolische Lesart und überlässt die moralischen Fragen – nach Schuld, Schicksal und Verantwortung – dem Publikum. Kann der Mensch seinem Geschick entrinnen? Trägt er Verantwortung für das eigene Tun – oder bürdet er alles der nächsten Generation auf? Die Inszenierung lässt diese Fragen offen, sie hallen nach.

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Um die Geschichte in sinnlich fassbare Formen zu überführen, ordnet Kriegenburg die vier Akte je einem Element und einer Farbe zu: Feuer (Rot), Wasser (Blau), Erde (Braun) und Luft (Weiß). Der erste Akt etwa steht im Zeichen des Feuers – jedoch nicht als zerstörerische Kraft, sondern als Sinnbild für Bewegung, Tanz und Freude. Im zweiten Akt wird Wasser zum Nebel, zur scheinbar unabwendbaren Zukunft, die sich in ihrer flüchtigen Gestalt dennoch verformen lässt. Harald B. Thor (Bühne) und Tanja Hofmann (Kostüme) übersetzen diesen Gedanken stringent in archaisch anmutende Formen und Stoffe, die Kriegenburgs Konzept prägnant unterstreichen. Die musikalische Leitung übernimmt der finnische Dirigent Hannu Lintu, der am Dienstagvormittag mit anhaltendem Applaus willkommen geheißen wurde. Eine Umbesetzung in der Hauptrolle war kurzfristig notwendig: Der ursprünglich angekündigte Johan Reuter musste aus persönlichen Gründen absagen. An seiner Stelle übernimmt der französische Bassbariton Paul Gay die Titelpartie – keine Neuland für ihn: Gay hat Enescus Œdipe bereits in London und Bukarest konzertant interpretiert, unter anderem unter der Leitung von Vladimir Jurowski.