Der Samstag am Szene Openair. Oder: Generationentreff im Schlammbad von Lustenau

Am letzten Tag des Szene Openair in Lustenau war für alle etwas dabei.
Lustenau Viele Städte und Gemeinden führen mittlerweile ein Mehrgenerationenhaus. Junge Menschen sollen mit alten Menschen zusammenkommen, Lebensfreude und Lebenserfahrung unter einem Dach. In Lustenau existiert eine ähnliche Einrichtung ohne Dach – Openair eben. Am Samstag waren sie alle da, Jung und Alt. Mit Schlamm als gemeinsamem Nenner.

Plötzlich strömten sie nach vorne. Kinder, sechs Jahre, sieben Jahre alt. Auf den Schultern ihrer Eltern, durch den Matsch watend, auf der Suche nach einem Blick auf die Bühne. Wenn ein Pfleger in einem Mehrgenerationenhaus dafür sorgt, dass sich die Kinder aus der Betreuungseinrichtung mit den Pensionisten aus dem Seniorenhaus am Tisch zum Uno treffen, sind die Fäaschtbänkler diese Pfleger. Und Uno heißt “humpa humpa” oder “hoch die Hände, Wochenende”. Dass die Schweizer Kombo, die auf Genregrenzen pfeift, Party kann, ist hinlänglich bekannt. Ein routinierter Auftritt reicht, um die Menge kochen zu lassen.

Dann durften die ganz Jungen langsam nach Hause, Großeltern holten ihre Enkel, damit die Eltern auf dem Partyplaneten einen Sprung zur Nebenbühne fliegen können. Die US-Metalband “The Browning” hielt die Pommesgabel hoch. Inklusive Eiffel-65-Cover für die älteren Semester im Publikum. Aber nur kurz, schließlich wartete der Grund für die Anwesenheit der Eltern auf der Hauptbühne. Jan Delay gab den Headliner, mit einer Zeitmaschine im Gepäck. Der Held der Jugend, Mitbegründer der deutschen Hip-Hop-Szene, zeigte einmal mehr, weshalb Konzerte und Festivals mit einfachem Musikhören nichts zu tun haben. Da mixt man einfach mal Disco-Sound mit Krawall und Remmidemmi, streut ein bisschen Barbra Streisand rein und schon dreht die Menge durch. Auch 40-Jährige können feiern! Wenn dann noch die 90er-Hip-Hop-Größe “Das Bo” zu “türlich türlich” auf die Bühne rennt, Denyo mit Jan Delay aka Eizi Eiz “Hammerhart” und andere Beginner-Klassiker zum Besten geben, ist die Zeitreise perfekt. Und die Jugend von heute? Die ließ die Alten verwundert feiern, ihre Musik wartete auf der Nebenbühne.

Die Veranstalter haben alles richtig gemacht. Der Samstag war ausverkauft. Insgesamt pfiffen 25.000 Zuschauerinnen und Zuschauer auf das Wetter, genossen mehr als 50 Acts, von den kleinen lokalen Bands bis zu den ganz großen Nummern. Eine solche Nummer steht bereits für die 36. Openair-Ausgabe fest: Seiler & Speer werden dabei sein.

Eine zukünftige große Nummer könnte Ikkimel sein. Eltern, die 16 Jahre lang versuchten, ihren Kindern eine gesittete Wortwahl auf ihren Lebensweg mitzugeben, mussten mit ansehen, wie die Künstlerin diese Bestrebungen innerhalb von drei Minuten pulverisierte. Was bei Yung Hurn für Aufregung sorgte, lässt Ikkimel müde lächeln. Der Jugend gefällt’s. Textsicher und längst mit Schlamm bedeckt, zeigten sie, wohin die musikalische Reise in den kommenden Jahren geht. Und da es nach drei Tagen Regenwetter auch schon egal war, drängten alle noch ein letztes Mal zurück auf die Hauptbühne, um das Comeback der Boygroups zu feiern. Die Eltern, aufgewachsen mit Backstreet Boys und NSync und Co., sahen ihre Teenager kreischen, weil vier junge Dresdner das Schlammbad von Lustenau noch einmal zu einem Tollhaus verwandelten. Der Latenight-Act 01099 läutete endgültig den Generationenwechsel am Szene Openair ein. Im Wissen, dass irgendwann die Teenager von heute sagen werden: “Könnt ihr euch noch erinnern, vor 20 Jahren am Szene? 01099? Das war noch Musik.”








