Musikalische Kostproben, biografisch garniert

„All about Eve“: Kammermusik von Komponistinnen bei den Festspielen
Bregenz Eigentlich rennt man heutzutage offene Türen ein, wenn man ein Programm mit Musik ausschließlich von Frauen präsentiert: Schon vor einem Jahr gab es etwa bei Dornbirn Klassik einen ganzen Abend mit dem Boulanger-Trio und Werken von Komponistinnen. Trotzdem besteht auf diesem Gebiet noch immer Informationsbedarf, und es gibt eine Fülle von lohnenden Entdeckungen. Auf eine solche Expedition in feminine musikalische Territorien v. a. des 20. Jahrhunderts nahm am Sonntagabend das Künstlerinnenduo Sophie Heinrich und Maria Radutu ein interessiertes Publikum im nicht ganz voll besetzten Seestudio mit. Die Geigerin Sophie Heinrich hat als erste weibliche Konzertmeisterin in verschiedenen Orchestern, v. a. bei den Wiener Symphonikern, Geschichte geschrieben, ist aber auch eine viel gefragte Kammermusikerin und Solistin und lehrt an der Stella-Privatuniversität. Die österreichisch-rumänische Pianistin Maria Radutu, Preisträgerin zahlreicher internationaler Wettbewerbe, kombiniert als Musikvermittlerin in ihren Programmen Klaviermusik mit Tanz, Videos, Storytelling, Jazz und anderem. Kennengelernt haben sich die beiden in der Tangoformation „Tango 5“.

Dass Frauen unter viel schwierigeren Bedingungen komponiert haben als Männer, wurde in den vorgetragenen biografischen Informationen nur allzu deutlich. Allerdings noch nicht bei den beiden ersten Beispielen, den Pariser Schwestern Nadia und Lili Boulanger, die aus einer hoch angesehenen Musikerfamilie stammten und längst zum Kanon der Musik des 20. Jahrhunderts zählen. Von Nadia spielte Radutu ein Solostück mit dem programmatischen Titel „Vers la vie nouvelle“ („Zum neuen Leben hin“), zuerst mit suchendem Gestus, dann mit flirrenden, hohen Passagen. Die geniale, früh verstorbene Lili Boulanger wurde mit zwei kurzen Duos vorgestellt, einem traumwandlerischen „Nocturne“ und einem temperamentvollen, tänzerischen „Cortège“. Interessante Entdeckungen waren die russisch-österreichische Komponistin Lera Auerbach und ihre afro-amerikanische Kollegin Nkeiru Okoye, beide in den 1970er Jahren geboren. Maximaler Kontrast herrschte zwischen Auerbachs meditativem Präludium in C-Dur und Okoyes rhythmisch akzentuiertem Stück „Drums Calling“, das Motive aus afrikanischer Musik einsetzt. Von den beiden der Spätromantik verhafteten amerikanischen Komponistinnen Florence Beatrice Price und Amy Beach wurden eine Fantasie in fis-Moll für Violine und Klavier und leider nur ein Satz aus einer Sonate für Klavier und Violine gespielt.
So interessant die Hintergrundinformationen und so reizvoll die Vielfalt der vorgestellten, auch weniger bekannten Komponistinnen war, so hat ein solches Programm doch ein Manko: Die präsentierten Werke waren alle sehr kurz. Erst die kroatische Komponistin Dora Pejačević kam mit einer vollständigen Sonate in b-Moll für Violine und Klavier, der „Slawischen“, zu Gehör, die einen intensiven Eindruck hinterließ.

Dass Heinrich und Radutu die Dinge nicht so eng sehen, bewiesen sie mit der letzten Komposition des Abends, „Le Grand Tango“ von Astor Piazolla, in der Bearbeitung durch die kürzlich verstorbene Sofia Gubaidulina, die man sonst eher mit religiösen Kompositionen in Verbindung bringt. Hinreißend musiziert, wie das ganze Programm, mit hör- und sichtbarem Vergnügen der Interpretinnen, wirkte dieses Stück ein wenig wie die Kür nach der Pflicht. Das Publikum dankte mit begeistertem Applaus.
Ulrike Längle