Ein stilles, aber nachhaltiges Erlebnis

Viviane Hagner und Till Fellner bei der Schubertiade in Hohenems.
Hohenems Die Geigerin Viviane Hagner und der Pianist Till Fellner präsentierten am Freitagnachmittag bei der Schubertiade ein Programm, das in seiner Spannweite ebenso geschlossen wirkte, wie in den einzelnen Interpretationen differenziert. Vom jugendlich-auftrumpfenden Beethoven über den doppelten Schubert – die lyrische Arpeggione-Sonate und die formal strenge g-Moll-Sonate – bis hin zur poetisch verdichteten Brahms-Sonate spannte sich der Bogen über mehr als siebzig Jahre Musikgeschichte.

Zum Auftakt erklang Beethovens Violinsonate Es-Dur, op. 12/3, ein Werk voller jugendlicher Energie, die Hagner und Fellner mit Spielfreude und klanglicher Noblesse zum Leuchten brachten. Das Allegro con spirito bestach durch schlanken Ton, klare Artikulation und jene Eleganz, die den Witz und die Leichtigkeit des Satzes betonte. Im Adagio entfaltete Hagner eine gesangliche Linie von großer Innigkeit, die Fellner mit atmender Ruhe umrahmte. Das Rondo-Finale sprühte schließlich vor Witz, rhythmischem Schwung und jener ungestümen Freude, die Beethoven in seinen frühen Jahren prägte.
Als Schubert im November 1824 in Wien seine Sonate in a-Moll, D 821, komponierte, stand ihm ein Instrument zur Verfügung, das gerade erst erfunden worden war, aber bald wieder in Vergessenheit geraten sollte: die Arpeggione, die auch als “Bogen-Gitarre” bezeichnet wurde. Sie verband die Form einer Gitarre mit der Spielweise eines Cellos, hatte sechs Saiten, Bünde und konnte mit dem Bogen gestrichen oder gezupft werden. Heute ist Schuberts Werk das einzige wirklich bedeutende Repertoirestück für Arpeggione. Hagner gestaltete die langen Linien mit einem warmen, silbrigen Geigenton, während Fellner eine differenzierte, nie dominante Begleitung beisteuerte. Das Allegro moderato oszillierte zwischen Melancholie und tänzerischem Aufbruch. Das Adagio wurde zum berührenden Höhepunkt des Nachmittags: voll von Trost und Wehmut, in schlichter Schönheit und tiefer Empfindung. Das Finale brachte eine heitere, fast volksliedhafte Leichtigkeit in die Musik, die selbst in den dunkelsten Momenten Schuberts Werken innewohnt.

Nach der Pause erklang Schuberts g-Moll-Sonate D 408 (“Sonatine”) – ein Werk, dessen Titel seine Substanz verkleinert. Hier zeigten Hagner und Fellner die ganze Ernsthaftigkeit dieser Musik. Das Allegro giusto wirkte rhythmisch straff und zugleich elastisch, die Themen wanderten gleichberechtigt zwischen den Partnern. Im Andante entfaltete Hagner weit gespannte Bögen von liedhafter Schlichtheit, während Fellner die Harmonien leise schimmern ließ. Das Menuett hatte einen markanten Gestus, im Trio schimmerten zarte Ländler-Anklänge, während das Finale federnd, schlank und von leichter Ironie getragen erklang – ein überzeugendes Plädoyer für die Größe dieser vermeintlichen Kleinform.
Den Abschluss bildete Brahms’ Violinsonate G-Dur op. 78 (“Regenlied-Sonate”), die Hagner und Fellner zu einem poetischen Höhepunkt formten. Das Vivace ma non troppo strömte mit weiten melodischen Bögen, warm und doch transparent. Im Adagio zeigte sich die Meisterschaft des Leisen: Hagner spielte mit einem vibratoreichen Gesangston, Fellner begleitete gedämpft und atmend. Besonders eindrucksvoll gelang das Finale, in dem das Regenlied-Thema mit zarter Wehmut eingeführt, variiert und in leuchtender Intensität gesteigert wurde – ein Klang, der Erinnerung und Versöhnung zugleich beschwor.
Viviane Hagner und Till Fellner präsentierten sich als vollkommen gleichberechtigtes Duo, das weder nach äußerem Glanz noch nach demonstrativer Virtuosität strebt, sondern die Musik in ihrer inneren Wahrheit sprechen lässt. Klarheit, Ausdruckskraft, Balance und ein feines Gespür für Zwischentöne prägten den Nachmittag – ein stilles, doch nachhaltiges Erlebnis, das die Zuhörer spürbar berührt zurückließ.