Ein Haus, das sich selbst gehört

Anonymität als Widerstand – die neue Ausstellung eines nicht genannten Künstlers im KUB.
Bregenz Wenn am Freitag um 17 Uhr das Kunsthaus Bregenz seine Türen öffnet, betritt das Publikum nicht einfach eine Ausstellung, sondern ein Gedankenexperiment über Autorenschaft, Besitz und den ökonomischen Unterbau von Kunst. Der Mensch, der dieses Projekt geschaffen hat, bleibt namenlos, anonym. Das Team des KUB musste eine Vertraulichkeitserklärung unterschreiben, um die Identität der beteiligten Personen zu schützen. Es gibt kein Porträt, keine Biografie und kein Werkverzeichnis. Nur das Werk.

Dass die Einladung des KUB an den Künstler bzw. die Künstlerin zu einem so radikalen Konzept führen würde, war nicht abzusehen. „Die Inspiration für mich war, meine Identität aus dieser Ausstellung zurückzuziehen, als eine Art konzeptioneller Rahmen, um darüber nachzudenken, wie ein Werk in der Welt existieren oder sogar ohne ‚Urheber‘ geschaffen werden kann“, sagt die Person, die das Projekt verantwortet.

Im obersten Geschoss des Kunsthauses steht nun ein Haus: ein Quadrat mit einer Seitenlänge von 7,2 Metern, das aus 249 Aluminiumteilen und zwei Glasscheiben zusammengesetzt ist. Es ist vollständig bewohnbar und verfügt über einen Schlafbereich, eine Küche, ein Bad und einen versenkbaren Tisch. Über das Gebäude des KUB ist es an Strom, Wasser und das Abwassersystem angeschlossen – eine parasitäre Architektur, die die Infrastruktur des bestehenden Hauses nutzt und zugleich sichtbar macht.

Das Publikum darf eintreten, sich setzen, schlafen und das Badezimmer benutzen. Der Raum will nicht nur betrachtet, sondern bewohnt werden. Nach Ende der Ausstellung soll das Haus als mobile Künstlerresidenz weiterreisen – als lebendige, sich selbst erneuernde Struktur. Ein Handbuch liegt bereit, das den genauen Wiederaufbau an jedem Ort der Welt ermöglicht. Es ist eine Architektur, die sich weigert, ein Monument zu sein. Ein Haus, das nur dann Bedeutung hat, wenn es benutzt wird.

Im zweiten Stock des Kunsthauses führt ein Rohr aus der Decke, das das Wasser ableitet, das oben im Haus verwendet wird – ein stilles Sinnbild für Abhängigkeit und Durchlässigkeit zugleich. „Als wir die ersten Entwürfe für das Haus gemacht haben, wollten wir es vom Netz nehmen oder ihm die Möglichkeit geben, vom Netz genommen zu werden“, erzählt die/der Künstler/in. „Am Ende haben wir es einfach zu einer rein parasitären Einheit gemacht.“ Was normalerweise unsichtbar bleibt – Leitungen, Energie, Entsorgung – wird hier zum sichtbaren, beinahe skulpturalen Bestandteil der Arbeit.

Auf der darunterliegenden Ebene zeigen flexible Membranen, wie sich architektonische Hüllen an Klima und Kontext anpassen können. Die Haut des Hauses sei für das Klima in Bregenz geeignet, prinzipiell aber offen für jede Veränderung.

Die Entscheidung zur Anonymität ist keine Geste der Zurückhaltung, sondern ein Akt der Sabotage gegenüber den Mechanismen von Markt und Ruhm. Das Werk will sich jeder Zuschreibung entziehen: kein Name, kein Preis, keine Signatur. Es fordert die Betrachter heraus, sich auf das Objekt selbst zu konzentrieren, ohne das gewohnte Arsenal biografischer Deutung zu nutzen.

„Das Problem war, dass ich mich auf nichts verlassen konnte, was ich zuvor gemacht hatte, oder auf Referenzen, seien es ästhetische, philosophische
oder thematische. Da ich diese Dinge nicht als Grundlage hatte und einfach bei null anfangen musste, stellte sich die Frage, wo sollte ich meine Inspiration hernehmen?“ Diese radikale Selbstentleerung, die Entfernung jedes persönlichen Bezugs, erweist sich als Methode des Widerstands. Gegen den Kult des Namens, gegen die Idee, dass Bedeutung aus Wiedererkennbarkeit entsteht. Hier wird die Arbeit selbst zur Autorität. Nach der Ausstellung soll das Haus verschenkt werden – an eine Institution, die es als Artist-in-Residence-Programm weiterführt. Wer es erhält, muss es aktivieren, bewohnen und in Gebrauch nehmen.

Die Ausstellung im Kunsthaus Bregenz stellt nicht nur ein ungewöhnliches Objekt, sondern auch eine präzise Frage ins Zentrum: Wie viel Identität braucht Kunst, um wirksam zu sein? Das Projekt antwortet mit einer radikalen Geste und einer Architektur, die das Prinzip des Teilens in Materie übersetzt. „Es ging darum, mich an Widerstand und Druck zu halten. Der Druck, völlig frei zu sein und tun zu können, was man will – vielleicht ist das die einzige Gelegenheit, bei der man von sich selbst abweichen kann.“ So steht im obersten Geschoss ein Haus, das sich weigert, Besitz zu sein – ein bewohnbares Manifest, das aus dem Innersten des Kunsthauses heraus neue Fragen stellt: nach Freiheit, Verantwortung und der Möglichkeit, ohne Namen sichtbar zu werden.