Ein halbes Jahrhundert im Blick

Kultur / 27.11.2025 • 16:13 Uhr
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Die Fotografin und der Dichter: Isolde Ohlbaum und Peter Handke in Tusculum bei Rom im Jahr 1977. Digne Meller Marcovic

Isolde Ohlbaums fotografische Begleitung von Peter Handke zwischen 1975 und 2024.

München Nur wenige fotografische Projekte im deutschsprachigen Kulturraum zeugen von einer solchen Ausdauer, Unmittelbarkeit und Nähe wie der nun erschienene Band „Peter Handke – Ein Langzeitporträt in Photographien 1975–2024” von Isolde Ohlbaum. Die 1945 geborene deutsche Fotografin hat den österreichischen Schriftsteller über fünf Jahrzehnte hinweg begleitet: bei Lesungen, Verlagstreffen, Preisverleihungen und im privaten Kreis. Entstanden ist ein Band mit 150 Fotografien, der weit über die reine Dokumentation hinausgeht. Durch eine über Jahre gewachsene, seltene Form der Beobachtung entsteht das Bild eines Schriftstellerlebens. Nicht als die Legende, sondern in seiner Wandlungsfähigkeit.

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Schirmer/Mosel„Peter Handke – Ein Langzeitporträt in Photographien 1975–2024”.

Die Anordnung der Bilder folgt dabei den Stationen einer Autorenbiografie, die sich oft unterwegs ereignete. Viele Aufnahmen zeigen Handke auf Reisen, in Hotels, auf Bahnhöfen, bei literarischen Begegnungen. Im Verlauf der Jahrzehnte verändert sich nicht nur seine äußere Erscheinung, sondern es tauchen auch Weggefährten auf: Kollegen, Verleger und Freunde, mit denen sich eine literarische Landschaft assoziieren lässt. Auffällig oft sind Fotografien aus dem Umfeld des Petrarca-Preises vertreten, dessen Stifter Hubert Burda selbst mehrfach im Bild erscheint. So entsteht ein literarisches Umfeld, das den Blick über die Einzelperson hinaus öffnet.

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Isolde OhlbaumDie Angst des Tormanns beim Elfmeter geschossen von Peter Handke.

Handkes Werk und seine wechselhafte öffentliche Wahrnehmung bilden den unterschwelligen Resonanzraum dieser fotografischen Erzählung. Seit seinem frühen Auftritt als „Enfant terrible“ der Gruppe 47 in den 1960er Jahren hat er ein Werk geschaffen, das sich konsequent jeder Einordnung verweigert: sprachsensibel, präzise beobachtend, oft poetisch entrückt und zugleich von einer eigensinnigen Weltwahrnehmung getragen. Ob in seinen Romanen wie “Die Angst des Tormanns beim Elfmeter”, in den tagebuchartigen Aufzeichnungen, im Theater oder in seinen Filmarbeiten mit Wim Wenders, Handke hat immer an der Randerfahrung der Sprache gearbeitet.

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Isolde Ohlbaum

Das letzte Kapitel nimmt in mehrfacher Hinsicht eine besondere Stellung ein: Es wurde 2024 aufgenommen und zeigt Handke in seinem Haus in Chaville bei Paris. Die Fotografien öffnen den Blick in ein persönliches Umfeld, das häufig literarisch aufgeladen wurde: ein überwucherter Garten, Sammlungen aus Schneckenhäusern und Vogelfedern, Sessel mit Stickereien, auf denen er seine handschriftlichen Notizen verfasst. Ohlbaum gelingt es, diesen Raum sichtbar zu machen, ohne ihn zu inszenieren.

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Isolde Ohlbaum

Die Fotografien werden von ausgewählten Zitaten Handkes sowie einem einleitenden Text des Filmemachers Frank Wierke begleitet. Darin beschreibt er die zurückhaltende Herangehensweise Ohlbaums und die Balance zwischen Distanz und Nähe, die bei dieser Art von Porträtfotografie entscheidend ist. „Peter Handke – Ein Langzeitporträt” ist ein sorgfältig komponierter Bildband, der sowohl Leser von Handkes Werk als auch ein an Fotografie interessiertes Publikum ansprechen dürfte. Die Bilder erzählen ohne Pathos von einem Autor, der sich über Jahrzehnte hinweg entzieht und zugleich beobachtbar bleibt.