Glaubensfragen
Die Sprache der Krise hat teilweise militärischen Charakter und bedient sich zunehmend religiösen Vokabulars. Da gibt es „Leugner“, oder neuerdings „Impfpflicht-Sünder“. Der zunehmende Wegfall von Religiosität in der Gesellschaft ist einem neuen „Glauben“ gewichen. So glauben wir längst wieder an Inzidenzzahlen, welche trotz Immunisierung Höchstwerte erreichen. Dabei erklimmt die Zahl an Testungen immer höhere Gefilde. Wir glauben, dass jeder „positiv Getestete“ krank ist – wobei jeder Mensch immer mehrere Krankheiten latent in sich trägt, wenn nur danach gesucht würde. Außerdem glauben wir, dass jeder „positive Fall“ einer angsteinflößenden Fotografie aus einer Intensivstation gleichzusetzen ist. Zudem glauben wir, dass jeder gesunde Mensch hypothetisch krank ist, bis er sein regelmäßiges „Immunisierungs-Update“ verabreicht bekommt. Eine Erkrankung trotz Update schließt diesen „Initiationsritus“ in die solidarische Gemeinschaft würdevoll ab. Zwischenzeitlich warten zahlreiche gesunde Menschen in Quarantäne auf das „Frei-Testen“. Selbst nach zwei Jahren werden positiv getestete Menschen nach Hause geschickt, um zu warten. Ohne Behandlung, ohne Beratung. Die wird einem erst zuteil, wenn Symptome auftreten. Bei noch so harmlosen Erkrankungen verschreiben Ärzte Medikamente, doch hier geschieht vorerst nichts. Anders beispielsweise in Kärnten, wo sich einige Ärzte zusammengetan haben, um Erkrankte frühzeitig zu behandeln. Zu Hause, um Krankenhäuser zu entlasten – mit Erfolg.
Gerhard Waldhof, Lustenau