Die neue Toleranz
Toleranz kommt vom lateinischen „tolerare“, ertragen, erdulden – mit belastenden Tatsachen zurechtzukommen. Toleranz müssen wir gegenüber einer Sache leben, die uns zur Last fällt oder uns beeinträchtigt. So muss beispielsweise ein Bergbauer, der seine 10 Schafe beim Namen kennt, gegenüber Wölfen um der „Artenvielfalt“ willen tolerant sein, nicht aber ein Großstadt-Juppi, der Almen bestenfalls von seinen Mountain-Bike-Fahrten kennt. Ebenso benötigt jemand, der für Multi-Kulti ist, keine Toleranz gegenüber Fremden, die er ja als Bereicherung unserer Kultur ansieht. Genau diese Personen rühmen sich aber ihrer Toleranz und fordern von Betroffenen Toleranz ein. Dann gibt es die „Neue Toleranz“. Sie wird als moralisch angepasstes Verhalten definiert. Sie soll uns dazu bringen, uns einer gesellschaftstauglichen Meinung anzuschließen. Das muss nicht zwingend eine Mehrheitsmeinung sein. AKW-Gegner oder Klimakleber werden als gesellschaftstauglich toleriert. Gender-Zweifler, Abtreibungsgegner oder Islamkritiker werden reflexartig als intolerant abgestempelt, fallen dann unter den gesellschaftlichen Bann und müssen für ihre Ansicht viel Ungemach in Kauf nehmen. Das motiviert dazu, sich anzupassen. Man fühlt sich dann moralisch besser und erhält den Beifall der Gesellschaft. Aber zahlt sich die Gewissensakrobatik aus, seine bisherigen moralischen Prinzipien über Bord zu werfen? Ist es nicht wertvoller, seinen Prinzipien treu zu bleiben, auch wenn es möglicherweise viel Gegenwind und Ungemach bringt?
Dr. Wolfgang Hämmerle, Lustenau