Eine schöne Bescherung
Dreieinhalb Millionen Überstunden. Geschenkt. Wenn das kein nobles Präsent ist, das die Vorarlberger Arbeitnehmer ihren Arbeitgebern machen. Die Überstunden steigen insgesamt an – in Österreich waren es rund 300 Millionen Überstunden, die geleistet wurden, 68 Millionen ohne Bezahlung. Logisch, dass irgendwann irgendjemand auf die Idee kommt, das gegenzurechnen mit den Arbeitslosenzahlen, die ebenfalls stetig steigen.
Doch man muss keine Wirtschaftskoryphäe sein, um zu wissen, dass das so einfach nicht ist. Es sind nämlich nicht die Spezialisten, die beim Arbeitsmarktservice gemeldet sind und auf einen Job hoffen. Ein großer Teil hat – laut AMS-Statistik – nicht die entsprechenden Qualifikationen für jene Jobs, in denen Überstunden geschoben werden. Für sie ist es eine „schöne Bescherung“, wenn sie der Lage gewahr werden und erfahren müssen, dass auch in der Industrie nicht mehr pure Arbeitsleistung, sondern Fachwissen den Ausschlag gibt.
Die Wirtschaft will seit Jahr und Tag eine flexiblere Arbeitszeit, damit sie mit ihren Fachkräften Auftragsspitzen abdecken und bei Flaute die teuren Mitarbeiter in Zeitausgleich schicken kann. Das soll so sein und muss so werden – schon wegen der Wettbewerbsfähigkeit unseres Standortes. Die Verhandlungen erleichtert es aber nicht, wenn nun sogar vom hochangesehenen Wirtschaftsforschungsinstitut attestiert wird, dass genau diese Spitzenkräfte einen erklecklichen Teil ihrer Arbeit ohne Flexibilisierungsregelung gratis leistet. Das ist Öl auf die Mühlen der orthodoxen Gewerkschafter und nützt schlussendlich niemandem.
Klar ist, dass es eine ordentliche Regelung geben muss, denn keiner muss gratis arbeiten. All-in-Verträge mögen gerade modern sein, die wertvollen Mitarbeiter werden aber auf Dauer nicht zu motivieren sein, aus reiner Freude an ihrer Tätigkeit zu arbeiten. Sie werden ihren Arbeitgebern verlorengehen. Neue Arbeitsplätze wird es aber auch nicht geben – da können Politiker und Arbeitnehmervertreter noch so zetern, denn das Argument der Wirtschaft, dass leider die meisten der derzeit arbeitslosen Menschen nicht dafür qualifiziert sind, z. B. High-Tech-Maschinen zu bauen, ist nicht von der Hand zu weisen.
Eine schöne Bescherung für die österreichische Wirtschaft wird es zwar nicht mehr zu diesen Weihnachten geben: Wenn aber die Anstrengungen für die Ausbildung und die Voraussetzungen für eine Arbeitszeitflexibilisierung halbwegs zeitnah umgesetzt würden, dann wäre das eine sogenannte win-win-Situation.
andreas.scalet@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-862
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