Richtig zuhören zahlt sich aus
„Lernresistenz“ nennt sich ein Phänomen, mit dem Lehrer bei manchen ihrer Schützlinge zu kämpfen haben, wenn diese sich entweder nichts merken können oder nichts merken wollen. Ein Phänomen, das meist Kinder betrifft. In Österreich gibt es aber auch eine betroffene Personengruppe, die meist zwischen 35 und 60 Jahre alt ist: Politiker. Gerade liefern ihre herausragendsten Proponenten ein Beispiel, wie sich diese Lernresistenz auf die gesamte Bevölkerung auswirkt.
Aus praktisch allen Bereichen der Wirtschaft hören die Volksvertreter seit Monaten den Ruf nach einer Steuerreform. Ob aus der Unternehmerschaft oder von Arbeitnehmervertretern, gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Vorschlägen, wie Österreich und vor allem die Österreicher endlich entlastet werden sollten und wie man das finanzieren könnte. Es mag sein, dass nicht jeder dieser Vorschläge genau so umgesetzt werden kann, wie sich das Industrie, Gewerbe oder Arbeiterkammer vorstellen, sicher ist aber, dass die Steuerkommission, wenn sie richtig zuhört, einige gute Ansätze bekommt, die eine Reform ermöglichen, ohne dass man mit den Verhandlungen bei null anfangen muss.
Wie soll es also weitergehen? Nach der Ansage der beiden schwarzen Arbeitgeberpräsidenten wagten sich auch andere Volkspartei-Proponenten an die Öffentlichkeit. Es stellt sich heraus, dass längst nicht nur die Bürger für eine Senkung der Steuern sind (ÖVP-Staatssekretär Lopatka: „No-Na-Umfrage“), sondern auch eindeutig über die Hälfte der Politiker aller Couleurs darauf drängen. Und damit beginnt eine Prozedur, die man in Österreich hinlänglich kennt: Die für viele Menschen wirklich wichtige Frage wird so lange zerredet, bis nichts mehr davon übrig bleibt. Es wird schlussendlich eine Arbeitsgruppe gebildet, die einen möglichst langen Zeithorizont hat, und die Sache wird, so die Hoffnung einiger Mitglieder der Regierung, wieder aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwinden.
Die Regierungskoalitionäre haben nichts gelernt aus den erschreckend schlechten Werten für ihre Arbeit, aus den ständig sinkenden Zahlen ihrer Wähler, ja aus einer immer niedriger werdenden Wahlbeteiligung. Demokratiemüdigkeit wird durch das Hickhack, das derzeit wieder die Oberhand gewonnen hat in dieser Diskussion, nur gefördert. Wenn diese nicht das Ziel sein sollte, dann müssen sich ÖVP und SPÖ endlich zusammenreißen, auf ihr Volk hören und endlich Vorschläge für eine Entlastung machen. Und das vor dem Sankt-Nimmerleins-Tag.
andreas.scalet@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-862
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