Wolfgang Burtscher

Kommentar

Wolfgang Burtscher

Kommentar: Jedem Täli sis Spitäli

Politik / 17.11.2025 • 06:45 Uhr

Die Salzburger Landeshauptfrau Karoline Edtstadler hat vorgeschlagen, die Gesundheitsagenden, inklusive der Spitäler, an den Bund zu übertragen. Im Gegenzug solle die Bildung an die Länder gehen. Von der Kollegenschaft kam Ablehnung, von Michael Ludwig (Wien) bis Markus Wallner. Angesichts der heftigen Spitals-Diskussionen könnte sich Wallner insgeheim vielleicht doch für den Vorschlag erwärmen, weil der ihm viele Sorgen ersparen würde. Bezüglich der Bildung müsste er ohnehin dafür sein. Dann könnte Vorarlberg endlich die vom Landtag einhellig erhobene Forderung nach einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen umsetzen.

Bei den Spitälern ist überall, nicht nur bei uns, jede Menge Emotion im Spiel. Man denke nur daran, dass in der Steiermark der Zorn der Wähler über geplante Schließungen zur Abwahl des ÖVP-Landeshauptmanns geführt hat. Lässt man die Emotionen weg und sieht sich die Fakten an, dann ist unbestritten: Österreich – nicht nur Vorarlberg – hat zu viele Spitäler. Manchmal liegen nur wenige Kilometer zwischen zwei Krankenhäusern. Das Gesundheitssystem hat zu viele Strukturen, wir haben im internationalen Vergleich zu viele Betten, Ärztinnen und Ärzte. Dafür zu wenig Primärversorgungszentren, also Gruppenordinationen, vor allem im ländlichen Raum, die einen großen Teil der einfachen Erkrankungen abfangen, die aktuell im Krankenhaus behandelt werden. Der Rektor der MedUni Wien, Markus Müller, hat in den „Salzburger Nachrichten“ erläutert: „In manchen Spitälern sind die Fallzahlen oft so gering, dass bei manchen Eingriffen die Routine fehlt. Das wird dann zum Risikothema“. Wie passt das mit einer Zusammenlegung von Spitälern zusammen, wenn der Weg zum Spital länger wird? Müller zitiert den renommierten Gynäkologen Peter Husslein: „Früher war die Medizin einfach und der Transport schwierig. Heute ist es genau umgekehrt.“ Heißt: Es werden nun hochprofessionelle Teams benötigt, der Transport sollte kein Problem mehr sein. Genau dasselbe bezüglich Fallzahlen und Qualität sagt der Vorarlberger Patientenanwalt Alexander Wolf. Bezüglich der Strukturen wurden gerade in Salzburg die Gemeindespitäler von Zell am See und Mittersill ans Land übertragen, weil diese Orte ihre Spitalskosten nicht mehr stemmen können. Vielleicht sollte die Dornbirner Stadtvertretung einmal eine Exkursion in den Pinzgau machen. Die Erweiterung des Horizonts schadet nie.

Strukturprobleme im Gesundheitsbereich haben viel mit dem Föderalismus zu tun, für den die Schweizer Nachbarn als Vorbild gelten. Dort galt lange das Motto „Jedem Täli sis Spitäli“. Ein Spottvers über den föderalen Lokalpatriotismus, der Strukturreformen erschwert. Jetzt wankt das Prinzip. Vier Kantone, etwa Sankt Gallen, haben regionale Spitäler geschlossen, wegen des Überangebots an Betten und der Kosten.  Das Schweizer Parlament hat die Kantone aufgefordert, bei der Spitalsplanung mehr zu kooperieren. Zusammenarbeit also über Kantonsgrenzen hinweg. Das war bisher mühsam. Projekte über eine Zusammenarbeit in der Ostschweiz oder in Basel sind bis vor kurzem noch gescheitert, nicht zuletzt deshalb, weil alles den Stimmbürgern vorgelegt werden muss. Darum ist die kürzlich erfolgte Fusion der Kantonsspitäler von Luzern und Nidwalden eher die Ausnahme. Doch in 14 Tagen stimmen die Bürger von Obwalden darüber ab, diesem Verbund beizutreten. Die Obwaldner Regierung hat beschlossen, dass man nur mehr im Hauptort Sarnen ein Akut-Spital betreibt, das die stationäre Grundversorgung und die ambulante Behandlung sicherstellt. Die schwierigen Fälle gehen an den Spitalsverbund. Und siehe da: Niemand zweifelt, dass das Volk eindeutig Ja sagen wird. Zumindest in einigen Kantone gilt also nicht mehr „Jedem Täli sis Spitäli“. Ist auch hier die Schweiz Vorbild für uns oder nur, wenn`s uns in den Kram passt?

Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landes­direktor, lebt in Feldkirch.