„Mehr Steuern sind nicht zu verantworten“

Markt / 26.08.2014 • 21:15 Uhr
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Sie ändern nicht das System und belasten nur zusätzlich den ­Mittelstand.

Schwarzach, Wien. Sobald sich eine Gesellschaft in Arm und Reich spaltet, wird die Kluft jedes Jahr größer. Seit 6000 Jahren ist diese Entwicklung in den verschiedensten Kulturen der Welt ident. Dieser mathematische Prozess ist unumkehrbar. „Wir erleben heute den Übergang zu einer neuen, monekratischen Gesellschaft: Die neue Geldelite wird immer einflussreicher und hebelt die Demokratie aus“, informiert Elmar Weixlbaumer, der Autor von „Billionaires Club – Warum Ungleichheit unvermeidbar ist, und wie wir von der neuen Geldelite systematisch ausgeschlossen werden“ (Goldegg). Er beschreibt die extremen Gegensätze beider Lebenswelten und geht darauf ein, was die Politik und jeder Einzelne ändern können, um diesen schleichenden, aber längst spürbaren Prozess ohne zu enteignen und ohne neue Steuerbelastung zumindest zu verlangsamen.

Herr Weixlbaumer, mathematisch sind die Auswüchse des globalen Systems nicht umkehrbar, schreiben Sie. Wirklich nicht?

Weixlbaumer: Auch wenn die Spaltung in Arm und Reich völlig unvermeidlich ist, so gibt es doch Treiber, die diese Entwicklung zusätzlich beschleunigen. Eine Hauptursache ist die unterschiedliche Verzinsung des Kapitals. Die Mittelschicht muss seit dem Zweiten Weltkrieg fast ausschließlich mit Sparzinsen unterhalb des Inflationsniveaus leben. Das Gesparte entwertet sich also Jahr für Jahr. Demgegenüber kann die neue Geldelite auf sehr lukrative Renditen ihres Kapitals weit über der Inflation zurückgreifen und lässt ihr Vermögen exponentiell wachsen. Weitere Faktoren sind die Kumulierung von Vermögen und die Steuervermeidungsmöglichkeiten der Elite. Dies ist in Österreich vor allem durch die Errichtung von Privatstiftungen möglich. Kapital wird so über Generationen dem Markt entzogen und nicht durch Erbschaften ständig wieder aufgeteilt und besteuert. Dieses Kapital kann so in Ruhe wachsen. Dieses Instrument steht der Mittelschicht ebenfalls nicht zur Verfügung. Die Steuerersparnis beim Stiftungsvermögen und bei der Kapitalanlage über Offshore-Gesellschaften in Steuerparadiesen lässt die Elite zusätzlich noch einen Gang bei der Geldvermehrung höher schalten.

Neue Vermögenssteuern würden also nur den Mittelstand belasten?

Weixlbaumer: Vermögenssteuern, oder generell Steuererhöhungen, haben praktisch keinen Einfluss auf diese Entwicklung. Mit Änderungen des Steuerrechts dämpft man diese Entwicklung nicht einmal spürbar. Man müsste jährlich ein Viertel des Kapitals oder mehr einziehen, damit sich die Verteilung von Vermögen gemessen am Gini–Koeffizienten ändert. Aber zusätzliche Besteuerung ist kaum mehr zu verantworten. Mit einer Abgabenquote von fast der Hälfte, für die Spitzenverdiener bereits über 70%, ist hier kein Spielraum mehr nach oben. Ein Ansatz wäre allerdings die Begrenzung von einzelnem Kapitalvermögen. Ähnlich einem Kartellrecht kann man sich ein System überlegen, in dem Vermögen ab einer Schranke, zum Beispiel das 1000-Fache des durchschnittlichen Jahreseinkommens, kartellrechtlich gemeldet und aufgesplittet werden muss. Man könnte beispielsweise das Vermögen unter den Kindern aufteilen, wenn es zu groß wird. Es geht nur darum, die riesigen Kapitalklumpen aufzudröseln. Dafür muss man niemanden enteignen. Wenn aber ein Dietrich Mateschitz allein neun Milliarden Euro besitzt, entzieht er dieses Geld der Allgemeinheit, es fehlt der Gesellschaft. Nur zum Vergleich: Die Hilfsorganisation „Wiener Tafel“ kann mit zehn Cent einen Bedürftigen einen Tag ernähren. Würde Herr Mateschitz nur ein Prozent seines Vermögens abgeben, könnten theoretisch 2,5 Millionen Bedürftige ein Jahr versorgt werden.

Sie beschreiben, wie die Gesellschaft von der Geldelite systematisch ausgeschlossen wird und verelendet. Wer kann wie gegensteuern?

Weixlbaumer: Eines der Grundprobleme ist die sinkende Beteiligung der Bürger an der Demokratie. Wir beobachten teilweise eine Planlosigkeit und Überforderung unserer Politiker, sodass immer mehr Menschen von diesem Schauspiel abgestoßen werden. Auch sind die heute relevanten Themen äußerst komplex und für die meisten Menschen – samt den Politikern – kaum mehr verständlich. Als Volk wäre es wichtig, wieder Einfluss auf die Politik zu nehmen und sich nicht mit Pseudothemen abspeisen zu lassen. Sonst wird dieses Machtvakuum schnell von der Elite geschlossen werden. Die Elite beginnt durch Lobbying, riesige Marketingbudgets und Postenbestellungen immer stärkeren Einfluss auf die Tagespolitik zu nehmen. Denken Sie an Berlusconi, Murdoch oder die Unternehmer-/Politikerfamilien in den USA, wie etwa die Bushs, oder Reiche, die die Macht bereits übernommen und ihre Länder nach ihren Interessen geführt haben. Ich bezeichne diese Machtübernahme einer Geldelite als „Monekratie“. Tatsächlich steuert Geld immer stärker unsere Politik. In den USA zeigten jüngste Studien, dass dort das Volk bei politischen Entscheidungen praktisch überhaupt nicht mehr vertreten ist. Ausschließlich die Unternehmen und deren Eigentümer, die „Monekraten“, steuern die Politik in den USA.

Welche Rolle spielen hier Bildung, Aufklärung, Humanismus und welche Mittel stehen – zumindest in wirklich demokratischen Rechtsstaaten – den achtsamen Bürgern zur Verfügung?

Weixlbaumer: Bildung ist selbstverständlich das zentrale Element einer mündigen Gesellschaft. Meiner Ansicht nach haben wir den Höhepunkt einer aufgeklärten Gesellschaft in den 80ern und 90ern des letzten Jahrhunderts erlebt. Heute sehen wir wieder eine rasant zunehmende Entbildung der Gesellschaft. Einerseits sinkt das Niveau an den öffentlichen Schulen immer weiter. Denken Sie an die Aufnahmeprüfungen an der PÄDAK dieses Jahr, wo über die Hälfte der Bewerber in Deutsch durchgefallen ist. Die haben aber alle Matura! Andererseits entwickelt sich ein extrem leistungsfähiger Privatschul- und Universitätsmarkt, wo die Geldelite ihre Kinder mit höchster Qualität ausbilden lassen kann. Für die Ausbildung dieser Kinder ist kein Betrag zu hoch, damit die nächste Generation mündig ins Erwachsenen­leben eintreten kann. Da Sie den Humanismus ansprechen: Ich glaube, wir sollten Winckelmann und Humbolt im Jahre 2014 nicht mehr als einzig mögliches Ideal sehen. So schön das humanistische Bildungsideal auch war, wenn ich von „Entbildung“ spreche, dann spüren die Menschen das hauptsächlich an fehlender Alltagsbildung. Ein Maturant verfügt heute nicht über die geringsten Kenntnisse in Mietrecht, Ehe- und Scheidungsrecht oder Konsumentenschutz. Maturanten wissen nicht, was Leasing oder Kredit bedeutet, welche Rechte ich im Dienstverhältnis habe oder wie ich ein Unternehmen gründen kann. Eigentlich sind die Absolventen unseres Schulsystems nicht lebensfähig. Da sollte man dringendst ansetzen. Aber vielleicht ist das auch gar nicht gewünscht. Wie sagt man? Wer nichts weiß, muss alles glauben.

Wir erleben die Entbildung der Gesellschaft. Absolventen unseres Schulsystems sind nicht lebensfähig.

Elmar Weixlbaumer

„Billionaires Club – Warum Ungleichheit unvermeidbar ist, und wie wir von der neuen Geldelite systematisch ausgeschlossen werden“ (Goldegg), Elmar Weixlbaumer, 320 Seiten, ISBN 978-3-902991-20-1