„Arbeiten muss noch leistbar sein“

Markt / 24.10.2014 • 21:28 Uhr
Wolf: „Für Steuerzahler Mehrwert schaffen.“ Foto: Susanne Hassler
Wolf: „Für Steuerzahler Mehrwert schaffen.“ Foto: Susanne Hassler

Siegfried Wolf über Österreichs Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunft der ÖIAG.

Mit dem Abgang auf Raten von ÖIAG-Vorstand Rudolf Kemler hängt ein weiterer Manager staatseigener Betriebe angezählt in den Seilen. Was ist los?

WOLF: Wir gingen bei der Bestellung Kemlers davon aus, dass wir keine Fünf-Jahres-Verträge mehr vergeben, sondern nur noch Vertragslaufzeiten von drei Jahren fixieren. Nach 24 Monaten wird die Verlängerungsoption entschieden. Herr Kemler ist jetzt aber an uns herangetreten und hat aufgrund der Gesamtdimension der letzten Ereignisse um eine einvernehmliche Lösung gebeten. Er steht damit bis 31. Oktober 2015 zur Verfügung – vorausgesetzt es gibt keine Veränderung in der Struktur der ÖIAG. Auslösendes Moment war das OMV-Thema.

Sie nennen es „Thema“, Claus Raidl sagt Desaster.

WOLF: Wenn jemand wie Raidl durch die Verstaatlichte Industrie alle seine Positionen und eine fette Pension erreicht hat und das System noch nutzt, um sich als Vizegouverneur in die Notenbank zu setzen, um sein Gehalt aufzufetten, dann frage ich mich, mit welcher Berechtigung solche Leute in der zweiten Reihe sitzen und auf den Aufsichtsrat herunterspucken. Die Aufsichtsräte in der ÖIAG sind alle erfolgreiche Wirtschaftsleute, die es bei Gott nicht notwendig haben, sich mit irgendwelchen Politscharmützeln auseinandersetzen zu müssen.

Auch Kanzler und Wirtschaftsminister kritisierten die Missstände in der OMV.

WOLF: In der Sache war es kein Chaos. Im Fall OMV sinkt der Aktienkurs seit 16 Monaten kontinuierlich. Warum? Weil in jedem Quartal ein angekündigtes Ergebnis nicht erreicht wurde. Natürlich gibt es bei einer Explorationsstrategie ein gewisses Risiko. Aber wenn ein Projekt nach dem anderen nicht funktioniert, aber weiterhin Geld hineinfließt, dann muss man nachjustieren.

Die Marktsituation war generell zu dieser Zeit sehr schwierig.

WOLF: So leicht mache ich es mir nicht. Die Peers haben sich zur gleichen Zeit nach oben entwickelt – in einer geopolitischen Situation, die alles andere als lustig ist.

Was lief in der OMV falsch?

WOLF: Wenn ein Vorstand seit Monaten über die Medien streitet und ihm nur wichtig ist, wer mit wem auf welcher Party sitzt – dann geht das nicht. Wäre das mein eigenes Unternehmen, würde ich alle auf der Stelle heimschicken.

Roiss’ Vertragsverlängerung vor einem Jahr: ein Fehler?

WOLF: Das wurde damals einstimmig beschlossen. Jetzt wurde im Aufsichtsrat ein einstimmiger Beschluss gefasst, Roiss nur bis Sommer 2015 im Amt zu behalten.

Ist das betriebswirtschaftlich geschickt, ein Vorstand mit Ablaufdatum an der Spitze?

WOLF: Es darf in der Führung kein Loch geben. Einen provisorischen CEO festzulegen, ist die schlechtere Lösung. Den klaren Beschluss sollten jetzt alle akzeptieren.

Manchen im Vorstand und im Aufsichtsrat werden Eigeninteressen unterstellt.

WOLF: Kompletter Schwachsinn. Kein Aufsichtsrat in einem börsennotierten Unternehmen kann sich so etwas erlauben. Im Aufsichtsrat der OMV sitzen integre Leute. Jeden Vorstand, der so etwas macht, würde ich sofort beim Staatsanwalt anzeigen. Nur damit das klar ist. Das gilt auch für das Thema Borealis-Verkauf. Ich beanspruche für die Aufsichtsräte in der ÖIAG, dass wir im Sinne des österreichischen Eigentümers und Steuerzahlers für die Republik handeln und einen Mehrwert und kein Durcheinander schaffen.

In der Kritik stehen auch Zusammensetzungsmodalitäten dieses Gremiums. Eine Änderung weg vom Selbsterneuerungsmodus hin zu politischer Einflussnahme steht im Raum.

WOLF: Von der seinerzeitigen Änderung der Aufssichtsratkonfiguration in der ÖIAG, die politische Zurufe unmöglich gemacht hat, hat das Unternehmen profitiert. Davor hatte das Unternehmen einen Schuldenberg von mehr als sieben Milliarden Euro. Wir haben 3,2 Milliarden Schulden abgebaut, 2,3 Milliarden Dividende ausbezahlt und 6,9 Milliarden Privatisierungserlöse erzielt.

Wegen Ihres Nahverhältnisses zu Präsident Putin und Gazprom wird Ihnen doppelte Interessenlage vorgeworfen.

WOLF: Wir haben als Republik Österreich ein Vorkaufsrecht, falls die IPIC ihre Anteile an der OMV verkaufen würde. Ich gehe davon aus, dass wir davon Gebrauch machen müssten. Außerdem habe ich klar gemacht, dass ich mich meiner Stimme enthalte, wenn über einen Gazprom-Einstieg diskutiert wird.

Verstehen Sie, dass Sie der Polit-Elite unheimlich sind?

WOLF: Mich kann man nicht am Gängelband der Politik durchs Dorf ziehen. Ich kann in den Spiegel schauen.

Machen die Angriffe nicht Lust, den Hut draufzuhauen?

WOLF: Dann wären 13 Jahre Arbeit weggewischt. Ich fordere von der Politik ein klares Bekenntnis und klare Strukturen. Es darf nicht das Versorgen eigener Leute im Vordergrund stehen. Wenn das so wäre, frage ich mich, wo der Mehrwert für die Republik liegt. Wenn es eine sinnvolle Lösung in der ÖIAG gibt und meine Expertise gefragt ist, stehe ich zur Verfügung. Sicher nicht für politische Diskussionen.

Was wäre die sinnvolle Lösung?

WOLF: Eine schlanke Holding mit drei Säulen entsprechend den drei Arten von Geschäftsfeldern: Die börsennotierte – kein Durcheinander produzieren und die Spielregeln der Börse beachten. Die infrastrukturellen Notwendigkeiten – von der Energie über das Wasser bis zum Breitband. Es braucht ein klares Bekenntnis der Republik, in diesen Bereichen Synergien zu nutzen und mindestens 51 Prozent zu halten. Drittens eine Auffanggesellschaft für Bad Banks. Ich möchte mir nicht wünschen, dass ich da weitere Banken drinnen sehen muss. Da müssen wir Vorsorge schaffen.

Wirtschaftsminister Mitterlehner denkt bereits einen Börsegang der Holding an.

WOLF: Muss man sich gut überlegen. In der Holding habe ich Äpfel, Birnen und Zwetschken – Investoren wollen klare Strukturen.

Wie wettbewerbsfähig ist Österreich noch?

WOLF: Das kann man über die Kaufkraft messen. Wenn diese durch eine zu hohe Abgaben- und Steuerquote gedrückt wird, ist das schlecht. Arbeiten muss noch leistbar sein.

Was bremst Österreich?

WOLF: Kennen Sie den größten Energiespender nach der Sonne?

Die Erde?

WOLF: Nein, der Neid.

Das Interview führten die Chefredakteure der Bundesländerzeitungen. Verfasser: Klaus Höfler (Kleine Zeitung)