“Es geht nur noch um Machterhalt”

Markt / 12.01.2015 • 22:41 Uhr
Die gestrige Ansprache im Rahmen des IV-Neujahrsempfangs in der Otten Gravour war Hubert Bertsch‘s letzte als Vorarlberger IV-Präsident. Er bleibt aber Vizepräsident der gesamt österreichischen Industriellenvereinigung.  Fotos: Meusburger
Die gestrige Ansprache im Rahmen des IV-Neujahrsempfangs in der Otten Gravour war Hubert Bertsch‘s letzte als Vorarlberger IV-Präsident. Er bleibt aber Vizepräsident der gesamt österreichischen Industriellenvereinigung. Fotos: Meusburger

Schlechte Rahmenbedingungen, zu viel Bürokratie: IV-Präsident Hubert Bertsch fordert dringend Reformen.

Hohenems. „Seit Jahren verspricht jede neue Bundesregierung die überfälligen Reformen anzugehen. Aber passiert ist jedes Mal eigentlich wenig bis nichts“, merkte Präsident Hubert Bertsch in seiner Rede anlässlich des Neujahrsempfangs der Industriellenvereinigung an. In der Industrie müsse man im Gegensatz zur Politik die Versprechen gegenüber seinen Kunden einhalten. In der Politik stehe das Verwalten des Status quo und vor allem der Machterhalt im Mittelpunkt. „Irmgard Griss, die Leiterin der Hypo-Untersuchungskommission, spricht in Bezug auf das „Hypo Alpe Adria“-Desaster von einem Systemversagen von Land und Bund. Noch schlimmer ist, dass dieses Systemversagen für wesentliche Bereiche des öffentlichen Lebens und im Umgang mit unserem Steuergeld gilt. Wozu gibt es Aufsichtsräte, Bankenaufsicht, Finanzmarktaufsicht, die Nationalbank, Parlamente und den Rechnungshof?“, fragt Bertsch.

Letztlich müsse man seit Antritt der rot-schwarzen Koalition im Jahr 2007 beobachten, dass Österreich in allen Vergleichen von Standort und Wettbewerb jedes Jahr weiter an Boden verliere. „Wir haben heute die höchste Inflationsrate in der EU, die höchste Zahl an Arbeitslosen seit Kriegsende und wirtschaftlich ein unsicheres Jahr vor uns“, machte der IV-Präsident deutlich.

Hausgemachte Probleme

An dieser Entwicklung sei nicht nur die internationale wirtschaftliche Entwicklung schuld, es seien dies vor allem hausgemachte Probleme, welche die Industriellenvereinigung seit Jahren anspreche und dafür auch Lösungsvorschläge präsentiere. „Heute ist unsere Steuer- und Abgabenlast mit über 45 Prozent bereits höher als in Schweden. Während die Schweden aber gleichzeitig Jahr für Jahr ihre Staatsverschuldung abbauen, wächst bei uns der Schuldenberg unaufhörlich weiter auf mittlerweile weit über 80 Prozent“, gab Bertsch ein Beispiel. Man brauche dringendst eine nachhaltige Entlastung aller Österreicher sowie der heimischen Wirtschaft. Dabei sei er froh, dass Landeshauptmann Markus Wallner im Verhandlungsteam für die Steuerreform sitze. Denn er habe sich beispielsweise gegen Erbschaftssteuern ausgesprochen wie auch gegen die als Millionärsabgabe titulierte Vermögenssteuer.

Auch beim Thema Verwaltungs- und Bürokratiereform habe sich bis heute nichts verändert. „Ganz im Gegenteil, immer mehr Bürokratie, immer mehr Vorschriften verschlingen immer mehr Zeit und Geld. Es wurden zwar auf unsere Initiative einige Beauftragte in den Unternehmungen abgeschafft, aber mit dem Energieeffizienzgesetz wurde uns ein enormer zusätzlicher bürokratischer Aufwand aufgebürdet“, erklärte Bertsch. Er glaube nicht daran, dass es hier eine wirkliche, große Reform geben wird. Auch nicht bei der Bildung. Neben all den hausgemachten Problemen sei da noch die Verunsicherung in und mit der EU. „Es ist erschreckend zu lesen, dass zum Beispiel der frühere Ministerpräsident Schwedens stolz darauf ist, dass die Sanktionen gegen Russland in allerhöchstem Maß greifen. Sanktionen sind für mich ein Zeichen der Schwäche, ein Zeichen, dass die EU-Granden und die Regierungschefs keine wirklichen Ideen für eine diplomatische Lösung haben“, sagte Bertsch, der für eine Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok eintritt.

Betriebe wandern ab

Kritik äußerte der IV-Präsident auch an den herrschenden Rahmenbedingungen in Österreich. Wenn der Bundeskanzler mit Enteignungsideen wie Erbschaftssteuer oder der höheren Belastung von Stiftungsvermögen an die Öffentlichkeit tritt, führe das zu Rechtsunsicherheit. „Jedes Unternehmen wird sich zweimal überlegen, den Sitz nach Österreich zu verlegen. Oder sie verlegen ihren Sitz ins Ausland, so wie der Weltmarktführer im Werkzeugmaschinenbau hier in Vorarlberg. Beim DMG MORI Konzern, früher Gildemeister, erklärte die österreichische Finanzbehörde nach über zehn Jahren, dass die alten rechtskräftigen Steuerbescheide nicht rechtmäßig oder nicht wirksam seien. Vorwürfe, die sich als unhaltbar und falsch erwiesen“, erklärte Bertsch. Der Konzern habe darauf hin seine Gesellschaften sukzessive von Österreich in die Schweiz verlagert. Die neue Europa-Zentrale verantworte jetzt von Winterthur aus insgesamt 1000 Mitarbeiter, die ein Geschäftsvolumen von rund einer Milliarde erwirtschaften. Da könne man sich glücklich schätzen, dass Vorarlberg noch sehr viele Unternehmer habe, welche trotz der nicht gerade rosigen Rahmenbedingungen dem Standort treu bleiben. „Dies sollte von der Politik endlich anerkannt und durch entsprechende Reformen unterstützt werden.“

SPÖ und ÖVP haben auf Bundesebene keine Visionen mehr.

Hubert Bertsch