Ganz gerecht ist’s niemals
Alle zwei Jahre prüft Österreich die sozialen Parameter: Entwicklung und Struktur der Sozialausgaben, Entwicklung und Verteilung der Einkommen, Lebensbedingungen, Armut und Ausgrenzungsgefährdung sowie soziale und wirtschaftliche Lage. Die Ergebnisse im Sozialbericht geben regelmäßig Anlass zu einem Schlagabtausch aller Parteien, aller Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen sowie der Kirchen und sozialer Einrichtungen.
Natürlich haben alle eine Meinung dazu. Wie die ausschaut, ist allerdings eine Frage der Perspektive. Es hilft nichts, wenn die Zahlen schöngedeutet werden, wie Wirtschaftsorganisationen das reflexhaft machen. Es gibt genug Dinge, die man verbessern kann, und da werden auch die Unternehmen ihren Teil dazu beitragen.
Das Gegenteil ist aber auch nicht zu akzeptieren: Es ist einfach nicht wahr, dass in Österreich systematisch und bewußt Menschen benachteiligt werden, dass sich einige wenige auf Kosten der Allgemeinheit die Taschen füllen. Die Menschen sind darauf bedacht, egal ob Unternehmer, Arbeitnehmer, Schüler oder Pensionist, ihren Teil für eine gerechte Gesellschaft zu leisten. Dass es Ausnahmen gibt, muss scheinbar doch erwähnt werden, wenn man die Schwarz-Weiß-Malerei betrachtet, die als Reaktion auf den Sozialbericht 2015 begann.
Der Bericht zeigt eines. Das soziale Netz hat enge Maschen, Laufmaschen, die es immer wieder gibt, werden geflickt, wenn sie lokalisiert sind. Manche schnell, bei anderen dauert es länger, wie beispielsweise bei der Steuerreform, die auch von den Auftraggebern des Berichts als eines jener Medikamente empfohlen wird, die Ungleichgewichte in der Gesellschaft zumindest etwas ausgleichen könnten.
Aber eines ist auch klar: Absolute Gerechtigkeit und Gleichheit wird es in einer Gesellschaft nie geben. Es wird immer Erfolgreichere und Wohlhabendere geben, es wird immer Menschen geben, die leider mit Armut zu kämpfen haben. Alle politischen Experimente, die Gleichheit versprochen haben, endeten im Desaster, manche in blutigen Umstürzen. Die meisten brachten Leid und Armut in einem Ausmaß über die Menschen, das wir in unserer „ungleichen“ Gesellschaft schon lange nicht mehr kennen.
Die Lebensbedingungen der Menschen müssen ständig verbessert werden. Dazu braucht es aber einige „Ungerechtigkeiten“, z. B. Menschen, die bereit sind Überdurchschnittliches zu leisten.
Damit die Lebensbedingungen aller verbessert werden, braucht es einige ,Ungerechtigkeiten‘.
andreas.scalet@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-862
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