Falsches Rezept zur falschen Zeit
„35 Stunden, genug geschunden“, sind sich Gewerkschaftsfunktionäre einig und verfolgen dieses Ziel mit mehr oder weniger Engagement, mal mit der oben zitierten Begründung, mal als Mittel gegen die Arbeitslosigkeit, wie zu Beginn dieser Woche, als die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp) die Ergebnisse einer Umfrage unter 800 Personen präsentierte.
Trotz der verlockenden Aussicht auf mehr freie Zeit, unterstützen das Gewerkschafteransinnen nur zwei Drittel der Befragten. Und auch nur dann, wenn es mit keinen Lohneinbußen verbunden ist, sonst wollen nur 23 Prozent weniger arbeiten. Die Befragten zeigen damit mehr Realitätssinn als die Funktionäre in ihrem geschützten Elfenbeinturm.
Die Argumentation von GPA-Chef Wolfgang Katzian, dass durch die 35-Stunden-Woche Tausende neue Arbeitsplätze entstehen, ist schlicht und einfach nicht richtig, auch wenn er zu seiner Unterstützung einen Universitätsprofessor aufbietet, der das Beispiel Frankreich preist, wo die 35-Stunden-Woche im Jahr 2000 eingeführt wurde und 350.000 Arbeitsplätze gebracht habe. Doch weder diese Zahl noch die Arbeitszeitverkürzung selbst ist unumstritten. Frankreich kämpft gerade wie Österreich mit einer Rekordarbeitslosigkeit, die sicher nicht mit einer weiteren Verkürzung der Arbeitswoche zu bekämpfen ist.
Gewerkschafter, die schon lange nicht mehr ins echte Arbeitsleben integriert sind, verstehen offensichtlich nicht, dass ihre Rechnung nicht aufgehen kann: Die Firmen suchen durchaus Mitarbeiter – aber sie suchen Fachkräfte, die es auf dem Arbeitsmarkt nicht gibt. Das Ergebnis einer 35-Stunden-Woche wäre lediglich, dass die derzeit beschäftigten Mitarbeiter noch mehr Überstunden leisten müssten. Statt weniger Arbeitszeit verhilft bessere Bildung zu einem sicheren Arbeitsplatz. Das ist eine Maßnahme, die auch Gewerkschafter viel intensiver verfolgen sollten.
Intensiver sollte auch die Lektüre der Wirtschaftsdaten betrieben werden. Denn dann hätten Katzian und Konsorten auch bemerkt, dass Österreich wegen zu hoher Arbeitskosten und verpasster Reformen in allen Wirtschaftsrankings weit zurückgefallen ist.
Die Arbeitszeitverkürzung trüge zu einem weiteren Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit bei; das kostet definitiv Arbeitsplätze. Die Forderung ist das falsche Rezept zur falschen Zeit, um mehr und krisensichere Arbeitsplätze zu schaffen.
Ergebnis einer 35-Stunden-Woche wäre, dass die derzeit Beschäftigten noch mehr Überstunden leisten.
andreas.scalet@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-862
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