„Kein Grund, um auf der Lehre herumzuhacken“

Markt / 26.08.2015 • 22:18 Uhr
Von den heimischen Industrielehrlingen schaffen neun von zehn ihre Lehrabschlussprüfung. Foto: VEM
Von den heimischen Industrielehrlingen schaffen neun von zehn ihre Lehrabschlussprüfung. Foto: VEM

Industrie-Bildungssprecher Hinteregger sieht die Defizite bei den Pflichtschulen.

Wolfurt. (VN-reh) Das Vorwissen der Bewerber für eine Lehrstelle ist in den letzten zehn Jahren messbar schlechter geworden, sagt einer, der tief in der Materie steckt. Christoph Hinteregger ist nicht nur Bildungssprecher der Vorarlberger Industrie, sondern auch technischer Leiter beim Seilbahnkonzern Doppelmayr. Diese Defizite sehe man besonders bei den Eignungsprüfungen, die die Bewerber in den Betrieben ablegen müssen. Anstatt also auf der Lehrlingsausbildung herumzuhacken, solle man lieber in den Pflichtschulen an den Ursachen dafür arbeiten, findet er klare Worte rund um die aktuelle Diskussion zur Lehre. Bei den Pflichtschulen gehe es nicht nur darum, dass viele Abgänger Defizite beim Lesen, Rechnen oder Schreiben haben, man müsse auch die handwerkliche Geschicklichkeit der Schüler intensiver fördern.

„Lehre nicht im Argen“

Keinesfalls dürfe man aber jetzt so tun, als ob die Lehrausbildung als solche im Argen liege, sagt Hinteregger und verweist auf die guten Ergebnisse der Industrielehrlinge. „Immerhin schaffen neun von zehn ihre sehr anspruchsvollen Lehrabschlussprüfungen, und das waren zwischen 2011 und 2015 1935 neue Fachkräfte für unsere Unternehmen.“ Wichtig sei, da schlägt er in die gleiche Kerbe wie Handwerks­obmann Bernhard Feigl (die VN berichteten), dass man an den hohen Qualitätsstandards der Lehre festhalte. Denn wenn 100 Prozent der Lehrlinge gleich beim ersten Anlauf die Abschlussprüfungen schaffen würden, wäre das ein Zeichen dafür, dass die Anforderungskriterien zu niedrig sind. Auch an Gymnasien oder HTL gebe es einen Prozentsatz an Schülern, die „einen Denkanstoß brauchen“ und ihre Prüfungen wiederholen müssen.

Bonus selbst finanzieren

Die Überprüfung des Ausbildungsfortschritts zur Mitte der Lehrzeit, wie von der Arbeiterkammer gefordert, gibt es in der Vorarlberger Industrie seit über 40 Jahren. In der Elektro- und Metallindustrie wird bei positiver Absolvierung des Lehrlingsleistungswettbewerbs eine Prämie von 4500 Euro je Kandidat an die Unternehmen ausbezahlt. In diesen Topf zahlen auch jene Betriebe ein, die selbst gar nicht ausbilden. Jedoch müsse man nicht immer alles mit Geld fördern, plädiert Hinteregger für Eigeninitiative. Jede Branche könne wenn gewünscht einen Bonus auch selbst finanzieren.

Vom angekündigten Sondergipfel zur Lehre erwartet sich der Bildungssprecher, dass man bei der gemeinsamen Schule weitermacht, und dass der Zug nicht immer nur in Richtung Gymnasium führt. Stattdessen sollen Schüler stärker nach ihren Eignungen und Neigungen gefördert werden. Eltern, die ihre Kinder mit aller Gewalt auf einer höheren Schule sehen wollen, rät Hinteregger: „Entkrampft euch.“ Die Lehre sei längst keine Sackgasse mehr. Auch danach stünden alle Wege offen. Das sehe man aktuell am Aufbaulehrgang der HTL Bregenz, wo in drei Klassen mit 30 Schülern Lehrabsolventen gerade ihre Matura nachholen.

Man soll Kinder nicht mit aller Gewalt ins Gymnasium drängen.

Christoph Hinteregger

Vorarlberger Industrie

» Lehrlinge: 1360

» Beschäftigte: 26.738

» 89 Prozent schaffen Lehrabschlussprüfung beim ersten Anlauf