„Vor 15 Jahren haben uns noch alle ausgelacht“

Bregenz. Der gebürtige Bregenzer Siegfried Hofmann ist Arzt aus Überzeugung. Der international bekannte Knie-Spezialist wirkt am steirischen LKH Stolzalpe. Dort bildet er jährlich Hunderte Ärzte aus und ist als Ausbilder weltweit unterwegs.
Herr Dr. Hofmann, was fasziniert Sie am Knie?
Hofmann: Beim Knie bin ich eigentlich aus Zufall gelandet. Denn auf der Stolzalpe, wo wir als erstes Spital in Österreich die Spezialisierung eingeführt haben, war schon alles besetzt – bis auf das Knie. Das habe ich nicht bedauert, denn es ist das komplizierteste, das wahrscheinlich schwierigste und das am häufigsten verletzte Gelenk im Körper. Diese Hochspezialisierung hat sich bewährt, denn sie macht einem Spital auf 1300 Metern Seehöhe das Überleben möglich. Und ich bin der absoluten Überzeugung, dass die Spezialisierung die Zukunft ist.
Wie kamen Sie zur Medizin? War das auch ein Zufall?
Hofmann: In der Schule habe ich geglaubt, ich übernehme das Geschäft von meinem Vater. Nach einem Motorradunfall mit 16 Jahren war ich fast ein Jahr im Spital. Als ich heimgekommen bin habe ich gesagt, ich werde Mediziner. Das Leben besteht also aus Zufällen.
Das LKH Stolzalpe ist europaweit führend in Bezug auf minimalinvasive Operationen.
Hofmann: Wir haben immer etwas anbieten müssen, was die anderen nicht anbieten konnten, um den Standort abzusichern. Zudem sind wir das größte Ausbildungszentrum in Europa, haben bisher rund 3000 Chirurgen geschult. Viele sind dann heimgegangen und haben uns ihre Problempatienten geschickt. Also Menschen, mit schmerzhaften Prothesen. Dadurch kam auch die Reparatur der fehlgeschlagenen Prothesen als Bereich dazu.
Was ist Ihre Motivation, Kollegen auszubilden? Haben Sie keine Angst, sich damit eigene Konkurrenz heranzuzüchten?
Hofmann: Aus Österreich haben wir circa 600 Kollegen ausgebildet, der Großteil kommt aus dem Ausland. Ich bin zudem auch in 14 Ländern der Welt unterwegs, um auszubilden. Ich fühle mich als Lehrer, der dorthin fährt, wo Bedarf ist und wo ich helfen kann. In Österreich wurde mir immer vorgeworfen, ich bilde die Konkurrenz in der Unfallchirurgie und Orthopädie aus. Das interessiert mich aber nicht. Mir ist lieber, ich zeige, wie es geht, und habe weniger Probleme mit den Patienten. Ich habe hier einen nicht so kompetitiven Zugang wie andere und habe keine Angst vor Konkurrenz.
Wie kam es überhaupt zur Ausbildungstätigkeit?
Hofmann: Als ich auf die Stolzalpe kam, war mein damaliger Chef schon weltberühmt. Er hat die Ultraschalluntersuchung von Neugeborenen für schwere Hüftschäden entwickelt. Dadurch sind Menschen aus der ganzen Welt gekommen, um das zu lernen. Als ich dort hinkam, hat er gesagt, „Sie machen jetzt das Gleiche am Knie“. Dadurch war eine gewisse Voraussetzung schon da, dass die Stolzalpe ein Ausbildungszentrum ist. Es sind immer Zufälle, die zu so was führen. Ich habe das schon in Wien versucht, aber es hat nicht funktioniert. Dort bin ich gescheitert, auch mit meiner Vorarlberger Mentalität. Wenn ich in Wien etwas auf die Beine stellen wollte, hieß es immer, was bekomme ich dafür. Für mich stand aber immer der Patient im Vordergrund. Auf der Stolzalpe ist die erste Frage immer, was es dem Patienten bringt.
Gibt es nicht dennoch eine Diskrepanz zwischen Patientenwohl und Wirtschaftlichkeit?
Hofmann: Überhaupt nicht. Das liegt auch am steirischen System, dass alle Ärzte ein Gehalt haben und Privatpatienten nicht extra verrechnen können. Es gibt einen Pool für Privatpatienten, aus dem dann ausgeschüttet wird. In Wien im Gegenzug bringt eine private Knieprothese 3500 Euro, da geht es dann viel ums Geld. Auf der Stolzalpe zahlt die Krankenkasse alles. Die beste Leistung muss jedem zur Verfügung stehen. Natürlich kosten Wirbelsäulenchirurgie oder Revisionsoperationen das Vierfache einer normalen Operation. Aber jemand muss das machen und lieber der, der hoch spezialisiert ist. Das ist kosteneffektiver, als wenn es drei andere probieren und es klappt nicht.
Sie haben als Arzt viel erreicht. Wie sehen Sie rückblickend ihre Karriere?
Hofmann: Ich wollte schon Karriere machen, aber wie es verlaufen ist, das war so nicht geplant. Die Stolzalpe war für mich ein toller Karriereschritt. Damals vor 15 Jahren haben uns alle ausgelacht. Viele haben gesagt, du bist ja kein Orthopäde mehr wenn du nur Hüften und Knie machst. Heute kopieren es alle. Mein Killerargument gegenüber Ärzten war damals immer: „Wenn ihr gegen die Spezialisierung seid, wo geht ihr selber hin wenn ihr etwas habt? Zum Allgemeinchirurgen ums Eck, oder fragt ihr, wer im Land der beste und der größte Freak ist?“ Da ist jede Diskussion zu Ende, denn die Ärzte gehen selber immer zum Ober-Freak.
Ich fühle mich als Lehrer, der in die Länder fährt, wo ein Bedarf da ist und wo ich helfen kann.

Zur Person
Dr. Siegfried Hofmann
Facharzt für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie;
Leiter Knie-Ausbildungszentrum LKH Stolzalpe (Steiermark); Head knee joint reconstruction, Abu Dhabi Knee & Sports Medicine Center, UAE
Geboren: 23.1.1957 in Bregenz
Ausbildung: Medizinstudium in Wien, Facharzt für Orthopädie
Laufbahn: KH Gersthof; 2000–2011 LKH Stolzalpe Leitung Endoprothetik-Department, Aufbau Ausbildungszentrum Kniechirurgie; seit 2011 Leiter knee joint reconstruction team Abu Dhabi Knee, Sports Medicine Center Vereinigte Emirate
Familie: verheiratet, zwei Töchter