Hausverstand saß mit am Tisch

Bürokratieabbau: Land und Wirtschaftskammer mit ersten Vereinfachungen bei Raumplanung und Baurecht.
Bregenz. (VN-reh) Kaum ein Wort geistert so sehr in der heimischen Wirtschaft umher wie die Bürokratie. Dort verbreitet sie Angst und Schrecken, ist doch die Flut an neuen Gesetzen, Verordnungen und Normen kaum mehr zu durchschauen. Das zu durchbrechen ist bei EU- und Bundesgesetzen etwas schwieriger, was aber in der Zuständigkeit des Landes liegt, da gibt es doch Handlungsspielräume. Die Deregulierungskommission des Landes hat Anfang 2015 unter Mitwirkung der Wirtschaftskammer ihre Arbeit aufgenommen. Nun gibt es erste Erfolge hinsichtlich Vereinfachung.
Im Bereich Bautechnik sind es die OIB-Richtlinien. Das Land hat mehr als 50 Vereinfachungsvorschläge beim Österreichischen Institut für Bautechnik eingebracht. Rund die Hälfte davon ist bereits in die neuen OIB-Richtlinien von 2015 eingeflossen. „Einige wichtige, aber darin nicht berücksichtigte Vorschläge, werden gerade – als eigener Vorarlberger Weg – in der neuen Bautechnikverordnung des Landes umgesetzt“, erklärt Landeshauptmann Markus Wallner. Lauter Änderungen, die sich kostendämpfend auf das Bauen auswirken sollen.
Sechsgeschoßiger Holzbau
Ein konkretes Beispiel, wo es zu Vereinfachungen kommt, ist zum Beispiel die Prüfstatik. Dort entfällt die doppelte Prüfung bei Bauten, deren Fassungsvermögen unter 1000 Personen liegt. Beim Brandschutz gibt es indes gute Nachrichten für den Holzbau. Bis zu sechs oberirdische Geschoße sind ohne besondere Erschwernisse möglich, weil die Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten (OIB) auf 60 Minuten herabgesetzt wurde, erklärt Landestatthalter Karlheinz Rüdisser. Zudem muss die Raumhöhe auch künftig nur 2,40 anstatt 2,50 Meter betragen. Bei Stiegenhäusern werden bei der Durchgangsbreite die Handläufe mitgerechnet. Bei Gewerbebetrieben und Produktionsstätten ist kein Energieausweis mehr notwendig.
Im Baugesetz gibt es Lockerungen bei den Mindestabständen, bei der Einholung von Immissionsschutzgutachten und bei der Baubewilligung für Solar- und PV-Anlagen. Änderungen der Baubemessungsverordnung sollen Ende März vorgestellt werden. Bei der Allergenverordnung wurden Vollzug und Kontrolle möglichst unbürokratisch gestaltet. Die Recycling-Baustoffverordnung wurde entschärft. Bei der Entrichtung der Abfallgebühr bei Ein-Personen-Unternehmen hat der Umweltverband die Empfehlung an die Gemeinden ausgesprochen, diese nicht doppelt zu belasten. Allerdings halten sich nicht alle daran. Und auch in den eigenen Reihen, sprich Verwaltung, wird aufgeräumt. Heuer steht die Arbeitsaufteilung zwischen Bezirkshauptmannschaften und Land im Fokus, um eine bessere Abstimmung zu finden.
Ein Dauerbrenner
Einiges wurde also bewegt, ein erster Schritt, betont Rüdisser. Denn Bürokratieabbau sei eine Daueraufgabe. Das sieht auch Wirtschaftskammerpräsident Manfred Rein so. Oft habe man bei neuen Gesetzen den Hausverstand komplett außen vor gelassen, ärgert er sich. Man könne zwar keine Gesetze verhindern, aber dafür eben Handlungsspielräume entsprechend nutzen. Er selbst hat beim Umbau der Wirtschaftskammer die überbordende Bürokratie am eigenen Leib zu spüren bekommen. Weil nämlich die Abstände der vertikalen Stäbe beim Stiegengeländer um zwei Zentimeter zu groß waren (12 statt 10 cm), sollte nach Ansicht der Stadt die komplette Stiege abgerissen werden.
Solche Beispiele gebe es genug, erzählt Rein, wie wenn beim Bau eines Wintergartens die Energieeffizienz des gesamten Gebäudes berücksichtigt wird, oder wenn man die Asphaltierung einer Autobahn verhindern will, weil Asphalt plötzlich als brennbares Gut gilt. Mit den ersten Vereinfachungen ist nun aber auch der Wirtschaftskammer-Präsident zufrieden. „Wir geben damit sogar den Juristen Hoffnung“, schmunzelt er. Die Stiege in der Wirtschaftskammer steht übrigens immer noch.
Das erträgliche Maß an Vorschriften ist längst erreicht.
Manfred Rein, WKV-Präsident

Mehrgeschoßiger Holzbau (oa.sys-Projekt, Berlin) soll möglich sein. Bei Stiegen zählt der Handlauf zur Breite.