Das Schicksal vieler Visionen
Fritz Mayer hat in seiner Amtszeit als Bürgermeister das Gesicht von Bregenz geprägt, er schuf den Festspielbezirk, eine Fußgängerzone und die Achsiedlung, unter seiner Ägide entstand der Bahnhof (und auch das Hotel Mercure). Seestadt und Seequartier wären wohl jene Gebäude, die man mit Bürgermeister Markus Linhart auch lange nach seiner Amtszeit in Verbindung bringen würde. Wenn sie gebaut werden.
Wird die Stadt zwischen Bodensee und Pfänder bald ein Anziehungspunkt sein, weil nicht nur Landschaft und Kultur überzeugen, sondern auch das Angebot an Einkaufsmöglichkeiten, an Dienstleistern und attraktiven Arbeitsplätzen besonders gut ist? Oder wird sie noch lange jene Stadt sein, die an einem der schönsten Plätze einen großen Parkplatz bietet, ergänzt durch einen – eben jenen unter Mayer gebauten – Bahnhof, der schon bei der Eröffnung weder fahrgastfreundlich noch schön war?
Die geografische Lage und die bereits besetzten Flächen schränken den Gestaltungsspielraum der Politik massiv ein. Große produzierende Betriebe gibt es an der Peripherie, neue Ansiedlungen sind wegen Platzmangels nicht zu erwarten. In der Stadt selbst dominieren Ämter, Banken und Handelsbetriebe. Die einzige große Fläche in der City ist seit über 20 Jahren ein Parkplatz. Und seit ebenso vielen Jahren auch das dominierende Thema der Stadtentwicklung; sie soll als Seestadt bzw. Seequartier entscheidend zur Attraktivität als Einkaufs- und Wohnstadt beitragen. Der neue Stadtteil wäre dazu angetan, Bregenz eine neue Prägung zu geben.
Die Frage, die sich viele Bregenzer stellen, ist, ob das Projekt gebaut wird, ob es nicht für alle Beteiligten eine Nummer zu groß ist? Politiker und Projektbetreiber halten daran fest. Doch schon wegen der langen Planungszeiten verändern sich Bedingungen und Anforderungen. Was 1994 an ersten Visionen für das neue Quartier formuliert wurde, gilt schon lange nicht mehr. Was im ersten Planungswettbewerb für gut befunden wurde, ist längst verworfen. Frühere Kostenschätzungen sind obsolet.
Seestadt und Seequartier drohen zu einer „Never ending story“ zu werden, die zwar Planer, Projektbetreiber, Beamte und Politiker beschäftigt, aber das Schicksal anderer Vorarlberger Großprojekte teilt, seien das S 18, Tunnelspinne oder Wälderhalle. Visionen, die uns beschäftigen, an deren Realisierung aber irgendwann niemand mehr wirklich glaubt. Dagegen hilft nur eines: die Baugrube ausheben und den Betonmischer anwerfen.
Der neue Stadtteil wäre dazu angetan, Bregenz eine neue Prägung zu geben. Wenn er gebaut wird.
andreas.scalet@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-862
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