Immer kurz vor dem Untergang
In der Landwirtschaft ist die EU-Skepsis besonders ausgeprägt. Nicht nur in Österreich, in Europa insgesamt. Den Behörden in Brüssel misstrauen die Bauern und vor allem ihre Führer sowieso, und auch ihren Berufskollegen aus anderen Ländern gönnen sie nicht die Butter aufs Brot. Denn es geht um Geld, viel Geld – und tatsächlich um die Existenz vieler bäuerlicher Betriebe und Familien.
Ihre Arbeit machen die Bauernführer gut: Der weitaus größte Teil des EU-Budgets, nämlich knapp 43 Prozent, fließt in Agrarförderungen an die EU-Skeptiker, die zur Durchsetzung ihrer Ansprüche durchaus zu rüden Mitteln greifen können. Das setzt sich fort. Auch die Republik alimentiert die Landwirtschaft großzügig. Und Landesrat Erich Schwärzler fand am Dienstag Worte, die sonst selten zu hören sind: „Die Geldmittel für die Landwirtschaft sind auch in Zukunft gesichert.“
Das Ergebnis einer guten Interessenvertretung – dazu kann man Präsident Josef Moosbrugger nur gratulieren. Andere Bevölkerungsgruppen, z. B. die Wirtschaft und viele Arbeitnehmer, wären schon froh, wenn ihnen grarantiert würde, dass ihre Abgaben nicht weiter steigen.
Die Internationale der Bauern – oder konkret gesagt: ihre Vertreter – erreichen die hohe Subventionierung mit einem einfachen Mittel, das auch anzuwenden ist, wenn es darum geht, die regelmäßig auftretenden Skandale in der Landwirtschaft zu rechtfertigen: Die Landwirte stehen immer vor dem Untergang. Ihnen drohen zum einen Pleite, Hunger und Verlust des Bodens, wenn auch nur darüber nachgedacht wird, die Förderung zu kürzen. Und wenn wieder mal ein Fleischskandal die Konsumenten schockt, dann eben deshalb, weil Bauern bei den Dumpingpreisen gezwungen sind, kreativ zu sein.
Dabei kann nicht immer auf jedes Detail geachtet werden. „Melken rentiert sich nicht mehr“, alarmierte Moosbrugger noch vor Kurzem, jetzt betont Schwärzler, dass Vorarlberg ein „Milchhochpreisland“ ist, in dem die Landwirtschaft auf „ein gutes Jahr“ zurückblickt. Gut, weil die Subventionen gesichert sind?
Die niedrigen Milchpreise wurden übrigens nicht von bösen Handelsfirmen verursacht. Es waren die Bauernkämmerer selbst, die noch angesichts der Überproduktion Viehrassen propagierten, die durch besonders hohe Milchleistung auffallen. Um es auf den unerfreulichen Punkt zu bringen: Es ist ein System, das Funktionäre immer mächtiger macht, und die Landwirte selbst zu Almosenempfänger degradiert. Und das kann es doch nicht sein.
Viele Menschen wären schon froh, wenn ihnen versprochen würde, dass ihre Abgaben nicht weiter steigen.
andreas.scalet@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-862
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