“Wir applaudieren uns nicht selber”

Markt / 06.10.2016 • 22:15 Uhr
Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner im VN-Gespräch anlässlich der KMU-Preisverleihung. Foto: VN/Steurer
Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner im VN-Gespräch anlässlich der KMU-Preisverleihung. Foto: VN/Steurer

Vizekanzler Mitterlehner über das Gespenst Neuwahl und was er vom „new deal“ hält.

Hohenems. Es war das achte Mal für den Wirtschaftsminister: Die KMU-Preisverleihung ist jedes Jahr ein Fixpunkt in Reinhold Mitterlehners gut gefülltem Kalender. Dass sich zum Terminstress mittlerweile auch die Diskussionen um Rücktritt und Neuwahlen häufen, nimmt der Politiker gelassen – zumindest so gelassen, wie das eben möglich ist. Seine Meinung dazu ist klar: „Es sind Gespenster, die manche herbeireden. In Wirklichkeit sind wir es, die für die Bürger arbeiten, und dazu gibt es keine Alternative“, ist Mitterlehner im VN-Gespräch von der Langfristigkeit der Regierung überzeugt. Alles andere wäre „eine fatale Fehleinschätzung“.

In Rankings verbessert

Einer der üblichen Aufschreie blieb heuer zumindest aus. Nämlich der, dass der Wirtschaftsstandort allmählich „absandelt“. Denn verschiedene Standortrankings zeigten nach Jahren des Rückgangs heuer wieder nach oben. Im aktuellsten – dem des Welt Economic Forums – liegt Österreich auf Platz acht aller EU-Staaten. Zwar dürfe man das nicht überbewerten, so der Bundesminister. Aber zumindest müssten alle, die sich sonst über den Verlust der Wettbewebsfähigkeit beklagen, damit argumentieren. „Für die Motivation ist es gut, in eine tatenlose Selbstzufriedenheit muss man deswegen aber nicht verfallen. Und wir applaudieren uns auch nicht selber deswegen.“ Mut mache das Ergebnis des Rankings, denn was Österreich sicherlich nicht brauche, sei Pessimismus, ist Mitterlehner überzeugt.

Die generelle Stimmung in der heimischen Wirtschaft befindet er aktuell als „besser wie zuvor“, sagt der Vizekanzler, der vor einem Jahr diese angesichts der Situation in Griechenland, der Flüchtlingskrise und des niedrigen Wachstums noch als „schaumgebremst und emotionsgeladen“ bezeichnet hat. In solchen Situation nehme man dann auch die Bürokratie und Regulierung viel bewusster wahr. Gründe für den zunehmenden Optimismus sieht Mitterlehner nicht nur im besten Jahr für den Tourismus, sondern auch in den Umsatzsteigerungen, ausgelöst durch die  Steuerreform, in der verstärkten Investitionstätigkeit und der Verdoppelung des Wirtschaftswachstums. „Potenzial nach oben ist dennoch immer vorhanden“, weiß der Vizekanzler.

Gewerbeordnung angehen

Da heuer aber mehr Ersatzinvestitionen getätigt wurden, müsse man sich investitionsfördernde Maßnahmen überlegen, um wieder mehr Neuinvestitionen anzuregen. Hier sei man aktuell in Verhandlungen. Auch in Sachen Entbürokratisierung sei man auf gutem Wege. „Wir schaffen vieles weg. Vieles davon fällt den meisten allerdings nicht auf. Sie wollen, dass alle Hürden zugleich wegfallen. Das wird sich aber nie umsetzen lassen“, sieht sich Mitterlehner dennoch auf dem Weg zu einem schlanken und bürgernahen Staat. Im Oktober will er nun bei der Gewerbeordnung kräftig nachsetzen. Den „new deal“ von Bundeskanzler Christian Kern sieht er indes in der Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Vieles sei bereits in den „Mühen der Ebene gelandet“. Dennoch sei man sich einig, was man alles angehen wolle – und das sowohl „systematisch als auch spürbar nach außen“. Die Zusammenarbeit in der Regierung sieht der Vizekanzler somit durchaus besser akzentuiert, als das in der Vergangenheit der Fall war. Nicht einfach sei aber oftmals der Dialog mit verschiedenen Interessenvertretern.

Übermittlungsschwierigkeiten

Dass er derzeit in der Kritik der heimischen Gewerkschaft steht, kann Mitterlehner nicht verstehen und ortet in der Entfernung zwischen Wien und Vorarlberg mögliche „Übermittlungsschwierigkeiten“. Er habe sich nicht explizit gegen einen Blum-Bonus Neu ausgesprochen, sondern sei überzeugt, dass es damals eine wirksame Maßnahme war und heute eben eine andere Problemlage herrsche. „Somit ist der Bonus aktuell für mich nicht mehr das richtige Instrument“, so der Vizekanzler.

Auch bei seiner Forderung nach einer gesetzlichen Verankerung der Höchstarbeitszeit von zwölf Stunden am Tag sieht sich der Bundesminister falsch verstanden. „Man hört immer nur den zweiten Teil von dem, was ich sage. Zwölf Stunden soll nur in jenen Betrieben gearbeitet werden können, in denen es ein Gleitzeitmodell gibt. Von Zuschlagskürzungen war nie die Rede.“

Dass viele Hürden weg sind, fällt den meisten gar nicht auf. Sie wollen immer alles auf einmal.

Reinhold Mitterlehner

Zur Person

Reinhold Mitterlehner

Vizekanzler, Wirtschaftsminister, ÖVP-Bundesparteiobmann

Geboren: 10.12.1955

Ausbildung/Werdegang: Studium der Rechtswissenschaften, 1980 Marketingleiter der Wirtschaftskammer OÖ, 1992 Geschäftsführer des Österr. Wirtschaftsbundes, 2000 Stv. Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich und Nationalratsabgeordneter, seit 2008 Wirtschaftsminister, seit 2014 ÖVP-Bundesparteiobmann und Vizekanzler