Ein lauter Weckruf für alle Bewahrer

Markt / 09.01.2017 • 22:15 Uhr
Schneller und flexibler muss auch der öffentliche Verkehr werden, so Ohneberg und Burtscher.  VN/Paulitsch
Schneller und flexibler muss auch der öffentliche Verkehr werden, so Ohneberg und Burtscher.  VN/Paulitsch

Kein Kirchturmdenken: Industriellenvereinigung fordert von Land mehr Verbindlichkeit.

Schwarzach. 80 Prozent der Vorarlberger Bevölkerung lebt im Ballungsraum Rheintal/Walgau. Aber wie urban ist Vorarlberg eigentlich, und kann es im internationalen Wettbewerb mit anderen Standorten mithalten? Mit diesen Fragen hat sich die Industriellenvereinigung Vorarlberg in den vergangenen Monaten beschäftigt. Wie Präsident Martin Ohneberg bereits im vergangenen Jahr zu mehr „Exzellenz statt Mittelmaß“ aufforderte, ist er zwar davon überzeugt, dass Vorarlberg in vielen Punkten sehr gut unterwegs ist, aber nicht in allen, die wichtig für den Standort sind. „Vorarlberg muss den eigenen Weg einer guten Balance zwischen ländlicher und städtischer Entwicklung finden“, sagt der IV-Präsident im VN-Gespräch über die Strategie, mehr städtische Elemente in den Lebensraum Vorarlberg einzubauen. Wer jetzt befürchtet, die Industrie-Interessenvertretung sieht Vorarlbergs urbanen Weg in einem von Hochhäusern zugepflasterten Land, der kann beruhigt werden. Vorarlberg sei ein attraktiver und aus kleinen Strukturen gewachsener Lebensraum, werde aber von einem Phänomen stark eingeschränkt – dem vorhandenen Kirchturmdenken. Das berge die Gefahr, dass politische Entscheidungen eng umgrenzt werden und der Weitblick für das Ganze verloren geht.

Größer denken

Heute müsse man größer und vernetzter denken, sagt Ohneberg. Denn nur so könne man den beiden großen wirtschaftlichen Problemfelder im Land – fehlende Arbeitskräfte und Mangel an Grund und Boden – wirksam entgegentreten. Schließlich suche jeder andere Industrie- und Lebensstandort ebenfalls gut ausgebildete Fachkräfte und verfüge über immer weniger freien Grund und Boden. Und letztlich kämen motivierte Arbeitskräfte nur dorthin, wo es auch attraktive Arbeits- und Lebensbedingungen gibt. Und Betriebe können eben nur wachsen, wenn sie auch die Flächen dazu haben. Dieses Bewusstsein müsse man viel mehr schärfen.

Bei diesen beiden Themen ist man nicht auf Schützenhilfe durch die Bundesregierung angewiesen, sie verlangen aber viel Veränderungsbereitschaft vonseiten des Landes. Hier liegt für die Industriellenvereinigung auch der Schlüsselfaktor. Das Land müsse den Takt vorgeben. Es passiere zwar einiges, wie beispielsweise der Markenbildungsprozess, aber insgesamt sei vieles zu wenig strategisch. Ohneberg spricht sich für ein Ballungsraum-Management aus. Initiativen wie „Vision Rheintal“ seien hier zu wenig. „Es braucht klare Verbindlichkeiten zwischen Land und Gemeinden, denn ein auf Freiwilligkeit beruhendes Prinzip der Zusammenarbeit stößt an seine Grenzen“, sagt Ohneberg. Er will weg davon, dass in jeder Gemeinde nur bis an die Ortsgrenze gedacht werde. Also mehr überregionales Denken und Zusammenarbeit, beispielweise in der Raumplanung. Wichtig sei, größere Verwaltungseinheiten zu nutzen, sodass nicht jede Gemeinde im Land alles anbieten müsse. Der Bürgermeister sei eine wichtige Identifikationsfigur einer Gemeinde, ob man in jeder Kommune einen Gemeindesekretär brauche, sei indes dahingestellt. 

Höher, dichter, zielgerichteter

Im Umgang mit Grund und Boden müsse die Devise „höher, zielgerichteter und dichter“ sein. „Heißt Verlagerung, nicht Abschaffung der Landesgrünzonen“, plädiert Ohneberg für ein strategisches Flächenmanagement und neue Höhen- und Verdichtungskonzepte. Insgesamt müsse man im Land schneller und mutiger werden und langfristiger denken als in Legislaturperioden. Ein innovatives Leuchtturmprojekt wie die Wälderbahn würde ebenfalls dabei helfen, dass Vorarlberg nicht nur als „Ländle“ wahrgenommen werde. „Bewahrer“ gebe es dabei auf allen politischen Ebenen. Deshalb müsse nun ein Ruck durchs Land gehen, sagt Ohneberg, der die Strategie als einen Weckruf an die Landesregierung sieht, tätig zu werden. Das oft gebrauchte „Schauen wir mal und bilden zunächst einen Arbeitskreis“, sei zwar typisch, aber schlichtweg zu wenig.

Urbanität für Vorarlberg bedeutet eine Riesenchance.

Martin Ohneberg