„Sind in starke Familie eingebettet“

Bludenz. Getzner Textil kann sich über eine sehr gute Entwicklung freuen. Im Interview spricht Vorstandsvorsitzender Josef Lampert über die Einkaufstour der letzten Jahre, Millionen-Investitionen und wieso Getzner in Westafrika genauso bekannt ist wie Porsche.
Während viele Vorarlberger Textilunternehmen in den vergangenen Jahrzehnten die Segel gestrichen haben, geht es Getzner Textil hervorragend. Warum?
Lampert: Ich glaube, dass Getzner seit fast 200 Jahren besteht, deutet darauf hin, dass das Unternehmen in eine starke Familie eingebettet ist. Der Erfolg liegt sicher darin, dass wir immer sehr innovativ und flexibel waren. In den ersten Jahren war die Berufsbekleidung ein großer Geschäftsbereich, später die Bettwäsche, dann die Hemden und mittlerweile sind es die Afrika-Bekleidungsdamaste, die technischen Gewebe und an dritter Stelle die Modestoffe. In den 90er-Jahren ging es uns natürlich auch besonders schlecht, aber wir hatten das Glück, dass wir neben den Hemden schon damals auch die Afrika-Damaste aufgebaut haben. So haben wir immer einen Ausgleich gefunden. Die Familie ist zu dieser Zeit immer zum textilen Bereich gestanden und ist mit viel Geld beiseite gestanden.
Wie krisenresistent ist das Geschäft?
Lampert: 2002 hatten wir eine Krise wegen der Infektionskrankheit SARS. Dadurch ist man weniger gereist. Aber wir hatten das Glück, dass wir in Gera den Bedarf erkannt haben, Basic-Gewebe produzieren zu können. Zudem hatten wir 2008 bei der Finanzkrise ein fertiges Konzept für Afrika-Damaste in der Schublade und haben in der Zeit statt Kurzarbeit voll gearbeitet und diese beiden Pläne, die wir für vier Jahre angesetzt haben, innerhalb von 18 Monaten umgesetzt. 2010, als es wieder aufwärts ging, standen wir somit mit Energie und neuen Maschinen in den Startlöchern und konnten dann auch entsprechende Ergebnisse schreiben. Der Bereich Afrika-Damaste ist heute mengen- und ergebnismäßig zehnmal so groß wie 2005. Wir haben die Marktführerschaft erreicht. Wir haben eine einzigartige Ausrüstung und produzieren alles hier in Europa. Der Umsatz-Anteil der Afrika-Damaste liegt heute bei 60 Prozent. 25 Prozent sind technische Gewebe und der Rest der Bereich Hemden.
Europa als Verkaufsargument?
Lampert: Die westafrikanischen Länder, in denen wir die Damaste verkaufen, werden überschwemmt von China-Ware. Daher ist unsere Stellung mit europäischer Qualität schon sehr groß. Aber wir verkaufen vielleicht zwei Prozent des Bedarfs. Der Rest kommt aus China.
Das heißt, der Markt ist für Getzner noch ausbaufähig?
Lampert: Wir haben den Markt in den letzten Jahren schon sehr stark aufgebaut. Von 2,5 Millionen Meter auf 22 Millionen Meter im vergangenen Jahr und sind jetzt dabei, auf 30 Millionen auszubauen.
Qualität ist ein Argument für Ihre Produkte, ein entscheidender Faktor ist aber auch die Mode. Wie wird zum Beispiel eine Kollektion für den afrikanischen Markt entwickelt?
Lampert: Unser Produktmanager betreut das Geschäft seit 40 Jahren. Er reist sieben- bis achtmal im Jahr nach Westafrika und nimmt immer wieder Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen wie Design, Textiltechnik und Produktion mit. So kommen die Wünsche der Kunden direkt zu den Designern, die das dann umsetzen.
Man sagt, Getzner ist in Westafrika so bekannt wie Porsche.
Lampert: Ja, das stimmt. Was wir geschafft haben, ist, dass die Kunden in die Geschäfte und auf den Markt gehen und fragen: Haben Sie Getzner? Witzigerweise gibt es sogar Kunden, die ihre Kinder auf Getzner taufen.
Im vergangenen Jahr wies Getzner Textil ein Umsatzplus von über 40 Prozent aus. Rein mit Damasten kann man das aber wahrscheinlich nicht erzielen.
Lampert: Organisch sind wir um 18 Prozent gewachsen. Der Rest kam über Zukäufe von technischen Firmen. Wir haben in unserer Strategie 2012 festgelegt, dass wir ein drittes Standbein brauchen und dass das nur Technik sein kann. So haben wir 2016 die Meyer-Mayor AG in der Schweiz gekauft, die auf technische Gewebe für Segel-Spinnaker oder Ballone spezialisiert ist. Ein halbes Jahr später folgte die TFE in Nüziders und Bludenz. Dort werden Trägergewebe für Klebebänder zur Ummantelung der Kabelstränge in Pkw produziert. Zudem haben wir die steirische Herbert Kneitz GmbH dazugekauft, die Gewebe für Sitze von Zügen, Autobussen, Lkw oder Pkw herstellt. Und dann kamen noch zwei deutsche Firmen dazu, die SR Webatex und Blaha Textilveredelung.
Können Sie abschätzen, welches Potenzial technische Textilien künftig haben?
Lampert: Wir sehen hier schon das größte Wachstum. Wir verdoppeln bei Herbert Kneitz gerade die Produktionsfläche, denn wir rechnen damit, dass im Automotive- sowie im Bahnbereich deutliche Zuwächse möglich sind. Insgesamt rechnen wir für die gesamte Getzner Gruppe 2017 mit einem organischen Wachstum von 20 Prozent.
Sie waren nicht nur auf großer Einkaufstour, sondern haben auch in Bludenz rund 200 Millionen Euro investiert.
LAmpert: Allein 2016 waren es 123 Millionen Euro. Von 2014 bis 2017 insgesamt 240 Millionen Euro. Die Hälfte davon floss in Gebäude und Maschinen. 50 Millionen haben wir am Standort in Gera investiert. Dort haben wir von 72 auf 240 Webmaschinen und von 70 auf 225 Mitarbeiter aufgestockt und sind mittlerweile einer der größten Arbeitgeber. Aber so ein Aufschwung ist nur möglich, weil wir dort auch die Mitarbeiter bekommen. Wir hatten das große Glück, zusammen mit dem TÜV ein Schulungsprogramm zu machen. So konnten wir viele Mitarbeiter anlernen. Momentan würden wir uns nicht mehr trauen, zu expandieren, weil der Markt doch leergesogen ist.
Es ist ein Trugschluss, zu denken, wenn ein Textiler schließt, bekommen wir von dort Mitarbeiter.

Kennzahlen
» Gegründet: 1818
» Gesellschafter: Getzner, Mutter Cie (in Familienbesitz)
» Gesellschaften/Beteiligungen: WR Weberei Russikon AG, Getzner Textil Weberei GmbH, Meyer-Mayor AG, Klingler Textil AG, SR Webatex GmbH, Blaha Textilveredelung GmbH, Herbert Kneitz GmbH, TFE Textil GmbH, Getzner Textil Handel GmbH
» Mitarbeiter: 1470, davon 630 in Vorarlberg
» Umsatz 2016: 287 Mill. Euro
Zur Person
Josef Lampert
Vorstandsvorsitzender der Getzner AG
Geboren: 19. März 1953
Ausbildung: Volksschule und Hauptschule in Rankweil, Handelsschule in Feldkirch
Laufbahn: 16 Jahre im Holzhandel, vier Jahre im Stahltrading, 27 Jahre bei der Firma Getzner Textil in verschiedenen Positionen
Familie: verheiratet, drei Söhne, drei Enkelkinder