Stein auf Stein zur Perspektive

Markt / 19.06.2017 • 20:26 Uhr
Die jugendlichen Flüchtlinge mit LH Markus Wallner sowie Reinhard Braito und Beat Pilgram (i+R). Foto: vlk
Die jugendlichen Flüchtlinge mit LH Markus Wallner sowie Reinhard Braito und Beat Pilgram (i+R). Foto: vlk

Wie i+R Bau und unbegleitete jugendliche Flüchtlinge gemeinsam eine Win-win-Situation schaffen wollen.

Hohenems. (VN-reh) Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren ist derzeit wohl eine der größten Herausforderungen. Vor allem, wenn Sprachkenntnisse oder Qualifikation fehlen. Gefragt sind neben politischen Lösungen daher auch unkonventionelle Ansätze. „Querdenken und anpacken“, lobt Landeshauptmann Markus Wallner das Projekt bei i+R Bau. Beim Lauteracher Bauunternehmen erhalten gerade zehn unbegleitete jugendliche Flüchtlinge aus Syrien und Somalia eine zwölf Wochen dauernde theoretische und praktische Ausbildung.

Der Start war am 8. Mai in der Bauakademie in Hohen­ems mit der Vermittlung von Grundkenntnissen. Danach folgte eine dreiwöchige Praxis auf der Baustelle. Aktuell sind die Jugendlichen wieder in der Bauakademie, bevor es noch einmal für sechs Wochen auf die Baustellen von i+R geht. Wenn diese Grundausbildung am 8. August abgeschlossen sein wird, liegt es an den Jugendlichen, ob sie direkt in eine Lehrausbildung im Unternehmen einsteigen wollen. Wie viele das tun, kann noch nicht genau abgeschätzt werden, sagt Reinhard Braito, einer der Geschäftsführer bei i+R Bau. Aber er ist optimistisch. Auch weil sich die Jugendlichen bislang hervorragend bewähren. Anfängliche Befürchtungen wurden nicht bestätigt.

Chance für beide Seiten

Dabei ist allen klar, dass es keine rein soziale Aktion ist, sondern für beide Seiten Chancen bietet. i+R kann so geeignete Fachkräfte rekrutieren, die dringend benötigt werden, weil die Auftragslage gut ist, gute Mitarbeiter aber sehr schwer zu finden sind. Für die unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge ist es die Chance, einen Beruf zu erlernen, Geld zu verdienen und somit einen ersten Schritt am Arbeitsmarkt und in Richtung Karriere zu schaffen. „Natürlich ist es eine Herausforderung, mit diesen jungen Leuten zu arbeiten. Sie haben aber Biss und möchten im Leben weiterkommen“, sagt Projektkoordinator Beat Pilgram. Die Rückmeldung vonseiten der Poliere auf den Baustellen sei jedenfalls sehr positiv.

Josef Gojo, Betreuer der Jugendlichen beim Institut für Sozialdienste, war am Anfang unsicher, ob das Projekt gelingt. Nun sei bei den Jugendlichen eine „ungebremste Motivation vorhanden, einer beruflichen Perspektive zu folgen. Sie richten ihre Jause schon um 5.30 Uhr, um pünktlich beim Baustellenbus zu warten.“ Und sie hätten bei den restlichen Jugendlichen in den Wohnheimen damit so viel Eindruck gemacht, dass viele ihrem Beispiel folgen möchten. „Wenn andere Branchen mitmachen, wäre es eine Erfolgsgeschichte“, betont Gojo.

Der Bedarf an weiteren Projekten wäre klar gegeben. Das zeigt auch ein Blick auf die Zahlen. Insgesamt leben derzeit 200 unbegleitete jugendliche Flüchtlinge in Vorarlberg. 90 davon haben ein Bleiberecht. Heißt, sie dürfen arbeiten. Rechnet man alle unter 25-jährigen Flüchtlinge zusammen, also auch jene, die mit der Familie nach Vorarlberg kamen, sind es rund 1000.

„Imponiert mir“

Landeshauptmann Wallner ist von diesem Projekt, das von EX-AMS-Chef Anton Strini vermittelt wurde, jedenfalls begeistert. „Es imponiert mir, wie ein Unternehmen wie i+R diesen unkonventionellen Weg geht.“ Auch er kann sich vorstellen, das Projekt auszubauen. Denn die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt ist auch hinsichtlich der steigenden Ausgaben für die Mindestsicherung wichtig. Die Zahl der Flüchtlinge im arbeitsfähigen Alter mit Bezug der Mindestsicherung ist in den letzten Monaten stetig angewachsen. Im Mai hat sie sich erstmals stabilisiert. „Wir sehen langsam Licht am Horizont“, so Wallner.

Und wer finanziert dieses Chancenprojekt? Das Arbeitsmarktservice zahlt den Jugendlichen während der zwölf Wochen dauernden Ausbildung eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts, das Land die Ausbildung an der Bauakademie, i+R übernimmt die Kosten für Projektabwicklung und Arbeitskleidung. Wenig ist das laut Reinhard Braito nicht, „man muss investieren. Geschenkt bekommt man nichts“, sagt er. Aber nur so gibt es Win-win-Situationen.