Von Übersaxen ins „Königreich Bally“

Armut zwang Vorarlberger lange zur Arbeitsmigration. Einige schufen riesige Unternehmen.
Zürich, Schwarzach. (VN-sca) Vorarlberg ist Exportweltmeister. Heuer sollte, so die Wirtschaftsforscher und Politiker, sogar die Zehn-Milliarden-Euro-Grenze geknackt werden. Die starke Wirtschaft schafft und sichert im Land Tausende Arbeitsplätze. Das war nicht immer so, im Gegenteil: So fleißig konnten die meisten Vorarlberger gar nicht sein, dass sie sich aus bitterer Armut heraus auf ein erträgliches Einkommen hocharbeiten hätten können. Die Schwabenkinder sind Zeugnis für diese Zeit, aber auch die Krauthobler aus dem Montafon und zahlreiche Handwerker. Sie verdingten sich in Süddeutschland, im Elsass, in der Schweiz. Oder sie wanderten aus, suchten ihr Glück in Nord- und Südamerika.
Obwohl über der Grenze für die meisten das Leben nicht einfacher wurde, gibt es viele Vorarlberger, die ihr Glück im Ausland machten. Vorarlberger, die Weltkonzerne schufen oder in ihrem Business Pioniere oder eben Künstler waren. Einer von ihnen war wohl der Schwarzenberger Porträt- und Freskenmaler Joseph Johann Kauffmann, der durch Europa reiste und Paläste und Kirchen verschönerte, aber auch die Bregenzerwälder Barockbaumeister hätten im Land selbst zu wenig Aufträge gehabt, um zu überleben.
Saisonarbeit in der Schweiz
1778 machte sich Franz Ulrich Bally aus Übersaxen auf den Weg in die Schweiz, um über den Sommer als Maurer Geld zu verdienen. Er kehrte in jenem Sommer und auch danach nicht mehr dauerhaft in seine Heimatgemeinde zurück. Er fand Arbeit in einer Bandfabrik. Später konnte ihn der Aarauer Bandfabrikant Johann Rudolf Meyer dazu bewegen, in sein Geschäft einzutreten und sich dem Verkauf seiner Fabrikate, Bänder und Merceriewaren, zu widmen. Viel sprang bei den Geschäften nicht heraus, aber Bally heiratete und konnte zusammen mit seiner Schweizer Frau Anne Marie Herzog ein Häuschen in Schönenwerd bauen – die Urzelle der späteren Schuhfabrik, die vorderhand noch Bänder produzierte. 1849, nach dem Tod seines Sohnes Urs Peter Bally wurde die Firma in drei Gesellschaften aufgeteilt, eine davon begann 1851 mit der Produktion von Schuhen. Das Unternehmen wuchs – 1916 beschäftigte die Familie Bally in ihrem Schweizer Werk rund 7000 Personen und produzierte 3,9 Mill. Paar Schuhe.Weltweit wurden Niederlassungen gegründet. Richtig schwer wurden die Zeiten für die aus Vorarlberg stammende Familie nicht während der Weltkriege, sondern erst in den 1970er-Jahren. Es gelang dem zwischenzeitlich inhaftierten Finanzhai Werner K. Rai, die Aktienmehrheit zu erlangen, die Familie stieg 1977 endgültig aus ihrem Unternehmen aus. Nach einem Zwischenspiel als Tochter des Rüstungskonzerns Oerlikon Bührle wurde Bally Teil der 2007 in Wien gegründete Labelux Group der Familie Reimann, die das Bally-Geschäft wieder nach oben brachte und nun wieder am Markt ist. Die Milliardärsfamilie Reimann sattelt aktuell auf andere Produkte um und veräußerte bereits ihre zweite Schuhmarke Jimmy Choo um gut eine Milliarde Dollar. Bally soll im Herbst folgen. Das Unternehmen, das den Sitz nun im Tessin hat, beschäftigt derzeit ca. 1500 Mitarbeiter und betreibt 250 Filialen sowie über 70 Flughafenshops weltweit. Die letzten Geschäftszahlen wurden vor neun Jahren veröffentlicht. Damals machte Bally 400 Millionen Euro Umsatz.
Kirchenfenster in Übersaxen
Die Ballys, die ursprünglich aus dem Montafon stammen, haben nicht auf den Stammort Übersaxen vergessen. So haben sie Ende des 19. Jahrhunderts die Kirchenfenster der Pfarrkirche Hl. Bartolomäus gespendet, die heute noch die Kirchgänger erfreuen. Die spannende Geschichte des einst größten Schuproduzenten der Welt ist im sehenswerten Museum Ballyana zu verfolgen, in dem nach wie vor ein Mitglieder der Familie Bally im Stiftungsvorstand sitzen.


Wie der Vorarlberger Johannes Baur die Luxushotellerie erfand.