Hubert Rhomberg

Kommentar

Hubert Rhomberg

Neue Achtsamkeit

Markt / 15.12.2017 • 22:25 Uhr

Was brauche ich wirklich, um leben zu können und glücklich zu sein? Das fragen sich Menschen heutzutage immer öfter. Und eine Antwort ist immer öfter: Materielle Werte sind es nicht. „Neue Achtsamkeit“ nennt sich diese Philosophie, ihre Auswirkungen sind unter anderem Car-Sharing, Tauschbörsen oder Co-Konsum. Im Baubereich geht „Less Tech“ in diese Richtung: Wir bauen in unsere Büro- und Wohngebäude an Technik nicht mehr ein, was geht, sondern nur noch das, was wirklich sinnvoll ist.

Damit steht die neue Bewegung im krassen Gegensatz zum ökonomischen Mainstream, der das Lebensgefühl des Mangels betont und hervorruft. „Nie genug“, das ist das Motto der aktuell noch vorherrschenden Ausprägung unseres Wirtschaftssystems. Es forciert Gier, Ungeduld, Unzufriedenheit und Aggressivität – und wird uns über kurz oder lang unweigerlich in den Abgrund führen. Wir sehen die ökologischen und sozialen Folgen dieses „Immer mehr“ bereits heute – Umweltverschmutzung, Ressourcenmangel, Migrationsbewegungen, eine zunehmende Verrohung der gesellschaftlichen und politischen Debatten –, aber noch immer tun wir zu wenig dagegen. Die vermeintlichen Antreibertugenden wurden uns zu lange als salonfähig und sogar wirtschaftlich notwendig verkauft. Dabei sind sie das eigentliche Gift.

Begriffe wie Wachstum, Wettbewerb, Effizienz, Rendite, Konkurrenz und Leistung werden daher momentan von den Menschen nur noch toxisch wahrgenommen: Was soll wachsen? Was ist eine echte Rendite? Was Leistung? Es gilt, diese Begriffe frisch zu betrachten, zu erneuern und neue Wirtschaftsprinzipien erfahrbar zu machen. Prinzipien, die den Menschen auch nutzen und ihnen nicht das Gefühl geben, willfährige Werkzeuge von Wirtschaft und Konsum zu sein. Es gibt zum Glück in diesem Land bereits viele Unternehmen, die sich der Verantwortung bewusst sind.

So ein Umdenken kann bei jedem persönlich anfangen. Die Anhänger der oben beschriebenen „Neuen Achtsamkeit“ machen es uns vor: Geben, ohne zu erwarten. Impulsdistanz statt Spontankonsum. Gemeinschaftsfähigkeit statt Ausbau individueller Komfortzonen. Diese Liste lässt sich ewig weiterschreiben. Nicht Geld für Arbeit, sondern Geld, um arbeiten zu können. Nur so sind auch noch motivierte Mitarbeitende bereit, einen kreativen Beitrag zu leisten.

Bei der Neubeschreibung und Neuerfahrung heilsamer Wirtschaftsprinzipien werden wir auch neue Ideen und Energie bekommen. Der Wunsch, etwas zu leisten, ist nämlich als Basis unseres Wohlstandes unverzichtbar.

„Ein Umdenken kann bei jedem persönlich anfangen.“

Hubert Rhomberg

markt@vn.at

Hubert Rhomberg ist Baumeister und Geschäftsführer der Rhomberg Holding.