Hubert Rhomberg

Kommentar

Hubert Rhomberg

Fürs Leben lernen

Markt / 19.01.2018 • 22:32 Uhr

Als ich in die Schule gegangen bin, in den 1970ern, Anfang der 1980er, da waren Lehranstalten noch Orte, an denen Schüler als leere Gefäße mit Wissen gefüllt wurden. Es war an der Tagesordnung, Gedichte und Vokabeln auswendig zu lernen. Am Ende stand ein Katalog an Wissen und Fertigkeiten, den die Kinder parat haben mussten, um aufzusteigen oder einen Abschluss zu erhalten.

Prinzipiell dient diese Lehrphilosophie nach wie vor als Grundlage für die schulische Ausbildung in Österreich. Die Welt, in der die Bildungseinrichtungen stehen und auf die sie die jungen Menschen eigentlich vorbereiten sollten, verändert sich allerdings ständig und immer schneller. Der Grund dafür ist wieder einmal die Digitalisierung. Sie macht etwa die Kenntnis objektiver Fakten nachrangig. Solche Informationen sind heute jederzeit und überall abrufbar, das Wissen darüber haben wir ausgelagert. Inzwischen müsste in der Schule daher eher Sinnerfassung gelehrt werden. Gefragt sind grundlegende Techniken, mit denen wir uns das Wissen der Welt selbst zusammensuchen, es kritisch hinterfragen, mit anderen teilen und gemeinsam neu bearbeiten können.

Die Schülerinnen und Schüler sollten also verstärkt in Projekten lernen. Dann trainieren sie all jene Fähigkeiten, die für die gesellschaftliche Teilhabe benötigt werden: Informationen bewusst wahrnehmen, Zusammenhänge und Muster erkennen, Schlüsse ziehen. So werden sie darauf vorbereitet, neue Herausforderungen anzunehmen bzw. sie sogar gestalten zu können. Und wer weiß: Vielleicht bekommen sie dadurch auch wieder Lust aufs Lernen, aufs Gestalten und Schaffen? Die Aufgabe von Lehrerinnen und Lehrern entspricht dabei mehr der eines Coaches als der von Klausurtrainern und Stofflieferanten: Sie begleiten die Lernenden individuell und kompetent. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass sie entsprechend ausgebildet und gefördert werden.

Von einer solchen Entwicklung sollte sich die Wirtschaft dann ein Scheibchen abschneiden, denn wir stehen vor den gleichen Herausforderungen. Wissen, Lernen, Fortschritt, das ist alles zukünftig nur noch im Austausch mit anderen überhaupt möglich, die Weltgesellschaft befindet sich in einem vielstimmigen, pausenlosen globalen Gespräch. Wir sollten unsere Kinder und uns selbst befähigen, an diesem Gespräch mit einer deutlich vernehmbaren Stimme teilzunehmen.

„Von einer solchen Entwicklung sollte sich die Wirtschaft dann ein Scheibchen abschneiden, denn wir stehen vor den gleichen Herausforderungen.“

Hubert Rhomberg

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Hubert Rhomberg ist Baumeister und Geschäftsführer der Rhomberg Holding.